Vier Wiener Anwälte infiziert: Wer ist der Virus-Überträger?

Rund 40 mit Tarnnamen versehene Blutbeutel aus einem Kühlschrank in einer Erfurter Garage werden getestet.
Der KURIER erklärt die Chronologie der Ansteckung in einer Wiener Anwaltskanzlei und die möglichen Folgen.

Am Dienstag wurden fünf Wiener als Corona-Patienten diagnostiziert, drei von ihnen arbeiten in der Anwaltskanzlei Wolf Theiss. Sie alle galten nicht als Verdachtsfälle, obwohl ihr Kollege schwer erkrankt ist. Niemand weiß, wer wen infiziert hat. Begonnen hat der Fall, der immer weitere Kreise zieht, Mitte Februar. Der KURIER erklärt die Chronologie der Ansteckung in Wien.

Montag, 17. Februar: Ein 72-jähriger Wiener Anwalt wird in die Rudolfstiftung in Wien-Landstraße eingeliefert. Der Mann hat Grippesymptome, erkrankt an einer Lungenentzündung und wird stationär aufgenommen. Freunde und Familie besuchen ihn. Auf Covid-19 wird er nicht getestet.

Mittwoch, 26. Februar: Bei dem 72-Jährigen wird das Coronavirus diagnostiziert. Er ist der erste Infizierte in Wien. Am Wochenende davor hatte die Stadt verfügt, alle Spitalspatienten mit Grippe zu testen. Besucher des Mannes und 90 Spitalsmitarbeiter werden unter häusliche Quarantäne gestellt.

Donnerstag, 27. Februar: Die Tests der Krankenschwestern, Ärzte und des Pflegepersonals sind negativ. Auch Freunde und Familie des Anwalts sind nicht infiziert. Sie müssen aber in Heimquarantäne bleiben. 91 Krankenhausmitarbeiter, die keinen engen Kontakt mit dem Patienten hatten, gehen nach ihren negativen Tests wieder in die Klinik. Insgesamt werden 181 Tests durchgeführt.

Die Juristen in der Kanzlei des Mannes, Wolf Theiss, werden nicht getestet, sie hatten laut Gesundheitsbehörde keinen näheren Kontakt mit dem Patienten gehabt. Die Kanzlei entschließt sich aber, Tests in einem privaten Labor auf eigene Rechnung durchführen zu lassen.

Montag, 2. März: Nach dem Test einer studentischen Mitarbeiterin von Wolf Theiss liegt noch kein Ergebnis vor. Die Frau beginnt dennoch ihr Rechtspraktikum im Wiener Landesgericht für Strafsachen in Leopoldstadt. Am Abend meldet das private deutsche Labor, dass ihr Test positiv ist. Die Frau hat sich mit Covid-19 angesteckt. Sie zeigt noch keine Symptome.

Dienstag, 3. März: Zwei weitere Juristen der Großkanzlei sind mit Coronaviren infiziert. Auch sie sind symptomfrei. Nachdem das Gericht erfährt, dass eine infizierte Frau dort gearbeitet hat, wird eine Hauptverhandlung abgesagt. Beim Eintreten in das Straflandesgericht müssen sich alle Besucher die Hände desinfizieren. Die Stadt Wien reagiert und lässt erneut Abstriche bei den drei erkrankten Juristen vornehmen. Sie werden unter Quarantäne gestellt.

Am Abend bestätigten die Gesundheitsbehörden offiziell, dass alle drei Mitarbeiter mit dem Virus infiziert sind. Nun werden die Kontaktpersonen der Infizierten ausgeforscht und unter Quarantäne gestellt. Wie sich die Mitarbeiter angesteckt haben, ist noch unklar.

Ungewissheit

Es gibt zwei Optionen: Die Rechtspraktikantin oder einer der beiden Juristen könnten sich bei dem 72-Jährigen angesteckt haben, bevor er ins Spital eingeliefert wurde. Besucht haben sie ihn dort nicht.

Sollte das der Fall sein, müsste einer der drei Infizierten bald Symptome zeigen. Die Ansteckung wäre mindestens 16 Tage her. Laut AGES beträgt die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit normalerweise zwei bis 14 Tage. In manchen Fällen dauerte sie bis zu 24 Tagen. Ansteckend ist man nach derzeitigen Wissensstand schon 24 Stunden vor Auftreten von Husten oder Fieber.

Die zweite Variante ist, dass die Drei sich nicht bei dem 72-Jährigen infiziert haben, sondern es einen Patienten Null gibt, der das Virus verbreitet und selbst nicht weiß, dass er es in sich trägt. Michael Binder vom Wiener Krankenanstaltenverbund räumt ein, dass es solche Fälle tatsächlich geben könne, wenn auch sehr wenige. Bewahrheitet sich dieses Szenario, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Menschen infizieren, hoch.

KAV-Direktor Michael Binder, wer wann getestet wird

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