Am 14. April des neuen Jahres finden in Innsbruck Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Letztere mündet zwei Wochen später mit großer Wahrscheinlichkeit in eine Stichwahl. 2018 als erster Grüner zum Oberhaupt einer Landeshauptstadt gekürt, will Georg Willi sein Amt verteidigen.
Das hat der 64-Jährige vor sechs Jahren von Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) erobert und mit ihr sowie ÖVP und SPÖ eine Koalition gebildet. Dass Willi im Streit um die Kosten beim Bau der Patscherkofelbahn 2019 einen Antrag der FPÖ zur Abwahl von Oppitz-Plörer unterstützt hat, sorgte letztlich zeitverzögert für das Ende der Koalition.
Der KURIER traf den Bürgermeister im Haus der Musik, wo die bereits zerbrochene Koalition im Sommer 2021 die Umgestaltung des Vorplatzes zwischen dem Kulturbau und der historischen Hofburg zur Begegnungszone präsentierte, ehe das Vorhaben im Streit versank und abgeblasen wurde.
KURIER:Herr Bürgermeister, wenn wir hier von der Dachterrasse nach unten schauen, sehen wir einen Flickenteppich und keinen Vorzeigeplatz. Ist das nicht symptomatisch für die Stadtpolitik?
Georg Willi: Wenn ich da hinunterschaue, ist es wie in den 70er-Jahren. Vor einem der schönsten Denkmäler der Stadt stehen Autos. Der Beschluss für die Neugestaltung dieses Platzes erfolge mit großer Mehrheit. Alle von den Stadtsenatsfraktionen haben sich noch hingestellt und gesagt, das machen wir. Später wurde das mit fadenscheinigen Argumenten gekippt. Dass die reihenweise umfallen, um mir in den Rücken zu fallen, ist die Besonderheit dieses Innsbrucker Gemeinderates.
Können sie Außenstehenden erklären, warum die Parteienlandschaft in Innsbruck derart zersplittert ist und so viel gestritten wird?
Positiv formuliert: Die Innsbrucker diskutieren gerne. Negativ formuliert: Müssen es so viele sein. Ich verstehe es selber nicht. Der Innsbrucker ist inhaltlich durchaus streitbar. Ich habe nichts gegen streitbar, man muss es nur positiv aufladen.
So ist das wohl bei niemandem angekommen.
In Innsbruck war es in den vergangenen Jahren nicht mehr ein Streiten um die Sache, sondern ein Streiten um des Streitens willen. Das werden wir in der nächsten Periode überwinden können. Davon bin ich überzeugt, weil die, die das angezettelt haben, mitbekommen haben, es nutzt ihnen nichts.
Mit der kommenden Wahl gehen sechs Jahre Chaos zu Ende. Müssen Sie sich nicht selbst an der Nase nehmen?
Natürlich ist auch von mir ein Beitrag dabei. Aber die Hauptschuld an dem Ganzen liegt vor allem bei Christine Oppitz-Plörer. Sie hat nie verwunden, dass sie nicht mehr Bürgermeisterin wurde. Mitten in die Koalitionsverhandlungen ist hineingeplatzt, dass beim Patscherkofel elf Millionen Euro fehlen. Jetzt war diese Bahn eh schon so teuer. Trotzdem sind die Kosten noch weiter über das Ziel hinausgeschossen, weil sie die Bahn unbedingt vor den Wahlen eröffnen wollte. Daher haben wir den Abwahlantrag damals unterstützt. Politisch war das der Auslöser für alles, das dann nachgekommen ist.
Die Kritik an Ihnen und ihrem Führungsstil geht aber quer durch die Fraktionen. Werden Sie nach der Wahl überhaupt jemanden finden, der mit Ihnen koalieren will?
Sicher. Es wird einige schwierige Personen nicht mehr geben. Und es werden sich Verhältnisse verschieben. In Summe wird es von den handelnden Personen abhängen, ob eine Mehrheit von Kräften, die die Stadt weiterentwickeln wollen, zustande kommt. Und ich bin felsenfest überzeugt, diese Mehrheit wird es geben. Und zwar, weil die Wähler in der letzten Zeit mitbekommen haben, was alles nicht kommt, weil diese Kräfte das blockiert haben.
Es wird voraussichtlich eine Stichwahl um das Bürgermeister-Amt geben. Mit welchem Duell rechnen Sie?
Ich gehe ziemlich sicher von der Stichwahl Markus Lassenberger gegen mich aus. Und zwar, weil wir jetzt schon in Wahrheit eine türkis-blaue Allianz haben, wo aber die türkise Gruppe aufgespalten ist zwischen Johannes Anzengruber (ehemals ÖVP, nun mit eigener Liste) und Oppitz-Plörer/Tursky. Die nehmen sich gegenseitig Stimmen weg. Die Gruppe der FPÖ-Wähler wird Lassenberger wählen.
Mit Florian Tursky als Spitzenkandidat von "das neue Innsbruck" als Quereinsteiger nach Innsbruck, der in die Streitereien nicht involviert war. Können Sie sich mit ihm eine Zusammenarbeit vorstellen?
Die entscheidende Frage ist, ob Florian Tursky der bleibt, als den ich ihn kenne: ein sachlicher und sachorientiert arbeitender Mensch. Oder ob er unter dem Einfluss von Christine Oppitz-Plörer ist. Das muss er für sich entscheiden. Was ich bis jetzt wahrgenommen habe ist ganz klar eine Achse zwischen diesem neuen Bündnis und den Blauen. Das ist genau das, was Innsbruck nicht braucht.
2018 ging nur noch knapp die Hälfte der Wähler zur Wahl. Ist nach den Querelen nicht zu befürchten, dass es noch weniger werden?
Ich werde alles tun, um den Leuten zu sagen, es liegt in euren Händen bei dieser Richtungswahl – für mich ist das eine – mitzustimmen, ob es Türkis-Blau gibt. Man hat gerade erst beim Budget gesehen, dass die sich abgestimmt haben. Ich werde im Wahlkampf klar zeigen, was alles gelungen ist trotz dieses Gegenwindes. Und dass die Grünen mit mir an der Spitze klare Konzepte für Innsbruck haben. Die anderen sagen immer nur, gegen was sie sind.
Was sind Ihre politischen Vorsätze für das neue Jahr?
Dass ich von den Projekten, die jetzt noch in der Pipeline sind, möglichst viele weiterbringe. An oberster Stelle steht für mich immer leistbares Wohnen. Wir sind bei einigen Erweiterungsgebieten schon sehr weit. Aber es gibt noch einiges an Arbeit.
Innsbruck ist nach wie vor mit die teuerste Stadt Österreichs. Sind Sie nicht gerade bei diesem Thema am Boden der Realität gelandet?
In der Periode ist mehr gelungen als im Arbeitsübereinkommen vereinbart war. Bisher konnten 1.500 leistbare Wohnungen übergeben werden; und dazu etwas mehr als 200 Studierendenheimplätze. Vor mir war der Studentenheimbau auf null. Die Summe dieser Wohnungen sind ein riesiger Leuchtturm.
Bei den Studenten ist es gar nicht gut angekommen, dass ein Zaun auf der Innmauer hinter der Uni errichtet wurde, die als riesige Sitzgelegenheit und Treffpunkt beliebt ist.
Der Punkt ist, die ganze Mauer ist kein Stadtprojekt. Das ist ein Landesprojekt. Man sieht hier, wie etwas, das gar nicht unsere Zuständigkeit ist, plötzlich zu unserem Problem wird, obwohl es vom Land gelöst werden muss. Das ist sinnbildlich dafür: Vor Ort bist du als Bürgermeister für alles verantwortlich, auch wenn die Verantwortlichkeiten ganz woanders liegen.
Wäre eine Abwahl als Bürgermeister das Ende Ihrer politischen Karriere?
Ich beschäftige mich mit Dingen erst, wenn sie eintreten. Ich werde nicht aufhören, für Innsbruck zu kämpfen.
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