Spatzen pfeifen weniger vom Dach: Was der Stadtvogel braucht

Ein Spatz sitzt auf einem kahlen Ast.
199 Spatzen-WGs wurden bei der 1. Wiener Spatzenzählung ausgemacht. MA22 und BirdLife belegen auch Wichtigkeit von Hecken.

Es ist ein Dilemma: Jene Aspekte, die eine moderne, freundliche Stadt ausmachen – makellose Fassaden, frisch renovierte Häuser, offene Wohnhausanlagen und Parks ohne nicht einsehbare Hecken – sind gleichzeitig nachteilig für die Verbreitung der Spatzen.

Denn der Stadtvogel benötigt zum Nisten und Rasten Mauernischen, kleine Gesteinsvorsprünge, dichte Büsche und Hecken.

Noch geht es dem Spatzen in Wien zwar ziemlich gut; zahlenmäßig stellt der Haussperling immer noch die häufigste Brutvogelart in Wien dar.

Ein Spatz lugt aus einem Loch in einer Betonwand.

Doch vor allem innerstädtisch sind die Zahlen aber rückläufig und so haben die Wiener Magistratsabteilung für Umweltschutz (MA 22) und das Netzwerk Birdlife Österreich dem Spatz (gemeinsam mit dem bedrohteren Specht) einen Projektschwerpunkt gewidmet.

Im Sonnenschein

Schritt eins: die Bestandsaufnahme. Von 12. bis 18. Oktober waren Wienerinnen und Wiener aufgefordert, Spatzen-WGs zu melden. Durch den vielen Regen sei das gar nicht so leicht gewesen, meint Josef Mikocki, Projektleiter von der MA 22: „Spatzen wagen sich am liebsten bei Sonnenschein aus ihren Verstecken.“

Eine Gruppe Spatzen sitzt auf den kahlen Ästen eines Baumes.

Dennoch liegen die Ergebnisse nun vor: Es wurden 199 Rastplätze mit insgesamt 2.808 Haussperlingen und 621 Feldsperlingen (das sind die zwei in Wien vertretenen Spatzenarten) gefunden.

Am meisten in Simmering

Die meisten wurden mit 517 Haus- und 146 Feldsperlingen in Simmering gesichtet. Generell sind (wie zu erwarten war) in den Außenbezirken mehr Spatzen beheimatet – außer in Favoriten. Mit 66 Spatzen kann der 10. Bezirk fast genauso viele Vögel aufweisen wie Margareten (60 Vögel). Und das obwohl der 5. Bezirk 15-mal kleiner ist.

Ein Spatz sitzt auf einem Ast mit roten Beeren.

Dieses Ergebnis sei zwar nur ein Zwischenstand, betont Eva Karner-Ranner, die das Projekt seitens Birdlife verantwortet: Es wird eine weitere Zählung im Frühling geben; mit Fokus auf Brutplätzen.

Aber es könnte andeuten, dass im 10. Bezirk die für Spatzen so wichtigen Büsche nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind, meint Mikocki.

Ab in die Hecke

Drei Viertel aller Hausspatzen-WGs (73 Prozent), sind nämlich in Hecken und Gebüschen ausgemacht worden; nur wenige hielten sich in Bäumen (8 Prozent) und in Kletterpflanzen (6 Prozent) auf, zählt Eva Karner-Ranner auf.

Porträt einer lächelnden Frau mit dunklen Haaren vor einem bewölkten Himmel.

Und appelliert: „Wir hoffen, dass wir mit unserer Aktion Hausverwaltungen, Gartenbesitzer und Grünraumgestalter überzeugen können, diese wichtigen grünen Inseln für die Spatzen zu erhalten.“

165.000 Brutpaare

Insgesamt gibt es in Wien derzeit rund 165.000 Brutpaare. Dazu kommen in den kalten Monaten überwinternde Zugvögel. Eine Zahl könne Professor Christian Schulze vom Institut für Botanik und Biodiversitätsforschung an der Universität Wien hier nicht nennen.

Mehrere Tauben stehen im Schnee unter einem Baum.

Mit seinem Team erforscht er seit 15 Jahren aber den Bestand der überwinternden Vögel in 37 Wiener Parks. Sein Resümee: Winterfütterung, exotische Ziersträuche mit Winterfrüchten und sehr alten Baumbestand bieten eine gute Voraussetzung. Die Artenvielfalt wird grundsätzlich erhalten. Aber: Die Zusammensetzung ändert sich.

Auswirkungen des Klimawandels

Ein Beispiel?

Die Saatkrähe.

Eine Saatkrähe sitzt auf einem kahlen Ast vor blauem Himmel.

„Diese Vogelgattung aus Nordeuropa fliegt im Winter ins wärmere Österreich. Aufgrund der milderen Winter kann sie jetzt oft schon vor Österreich haltmachen und fehlt uns nun.“ Das hat wiederum ökologische Folgen: „Die Saatkrähen ist quasi eine natürliche Müllabfuhr. Sie vertilgt Speisereste, die Parkbesucher fallen lassen.“

Nun bleiben diese liegen. Davon profitieren andere: vor allem Ratten.

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