Spatzen pfeifen weniger vom Dach: Was der Stadtvogel braucht
Es ist ein Dilemma: Jene Aspekte, die eine moderne, freundliche Stadt ausmachen – makellose Fassaden, frisch renovierte Häuser, offene Wohnhausanlagen und Parks ohne nicht einsehbare Hecken – sind gleichzeitig nachteilig für die Verbreitung der Spatzen.
Denn der Stadtvogel benötigt zum Nisten und Rasten Mauernischen, kleine Gesteinsvorsprünge, dichte Büsche und Hecken.
Noch geht es dem Spatzen in Wien zwar ziemlich gut; zahlenmäßig stellt der Haussperling immer noch die häufigste Brutvogelart in Wien dar.
Doch vor allem innerstädtisch sind die Zahlen aber rückläufig und so haben die Wiener Magistratsabteilung für Umweltschutz (MA 22) und das Netzwerk Birdlife Österreich dem Spatz (gemeinsam mit dem bedrohteren Specht) einen Projektschwerpunkt gewidmet.
Im Sonnenschein
Schritt eins: die Bestandsaufnahme. Von 12. bis 18. Oktober waren Wienerinnen und Wiener aufgefordert, Spatzen-WGs zu melden. Durch den vielen Regen sei das gar nicht so leicht gewesen, meint Josef Mikocki, Projektleiter von der MA 22: „Spatzen wagen sich am liebsten bei Sonnenschein aus ihren Verstecken.“
Dennoch liegen die Ergebnisse nun vor: Es wurden 199 Rastplätze mit insgesamt 2.808 Haussperlingen und 621 Feldsperlingen (das sind die zwei in Wien vertretenen Spatzenarten) gefunden.
Am meisten in Simmering
Die meisten wurden mit 517 Haus- und 146 Feldsperlingen in Simmering gesichtet. Generell sind (wie zu erwarten war) in den Außenbezirken mehr Spatzen beheimatet – außer in Favoriten. Mit 66 Spatzen kann der 10. Bezirk fast genauso viele Vögel aufweisen wie Margareten (60 Vögel). Und das obwohl der 5. Bezirk 15-mal kleiner ist.
Dieses Ergebnis sei zwar nur ein Zwischenstand, betont Eva Karner-Ranner, die das Projekt seitens Birdlife verantwortet: Es wird eine weitere Zählung im Frühling geben; mit Fokus auf Brutplätzen.
Aber es könnte andeuten, dass im 10. Bezirk die für Spatzen so wichtigen Büsche nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind, meint Mikocki.
Ab in die Hecke
Drei Viertel aller Hausspatzen-WGs (73 Prozent), sind nämlich in Hecken und Gebüschen ausgemacht worden; nur wenige hielten sich in Bäumen (8 Prozent) und in Kletterpflanzen (6 Prozent) auf, zählt Eva Karner-Ranner auf.
Und appelliert: „Wir hoffen, dass wir mit unserer Aktion Hausverwaltungen, Gartenbesitzer und Grünraumgestalter überzeugen können, diese wichtigen grünen Inseln für die Spatzen zu erhalten.“
165.000 Brutpaare
Insgesamt gibt es in Wien derzeit rund 165.000 Brutpaare. Dazu kommen in den kalten Monaten überwinternde Zugvögel. Eine Zahl könne Professor Christian Schulze vom Institut für Botanik und Biodiversitätsforschung an der Universität Wien hier nicht nennen.
Mit seinem Team erforscht er seit 15 Jahren aber den Bestand der überwinternden Vögel in 37 Wiener Parks. Sein Resümee: Winterfütterung, exotische Ziersträuche mit Winterfrüchten und sehr alten Baumbestand bieten eine gute Voraussetzung. Die Artenvielfalt wird grundsätzlich erhalten. Aber: Die Zusammensetzung ändert sich.
Auswirkungen des Klimawandels
Ein Beispiel?
Die Saatkrähe.
„Diese Vogelgattung aus Nordeuropa fliegt im Winter ins wärmere Österreich. Aufgrund der milderen Winter kann sie jetzt oft schon vor Österreich haltmachen und fehlt uns nun.“ Das hat wiederum ökologische Folgen: „Die Saatkrähen ist quasi eine natürliche Müllabfuhr. Sie vertilgt Speisereste, die Parkbesucher fallen lassen.“
Nun bleiben diese liegen. Davon profitieren andere: vor allem Ratten.
Gesichtet
113 Brutvogelarten gibt es aktuell in Wien. Gemeinsam kommen sie auf einen Gesamtbestand von etwa 165.000 Brutpaaren. Der Haussperling ist zahlenmäßig (noch) am häufigsten vertreten. Er nistet in Mauervorsprüngen und hält sich gerne in Büschen auf.
Gefährdet
Starke Bestandsrückgänge gibt es beim Girlitz, einem kleinen Finkenvogel, der Körner frisst und auf Wildgärten angewiesen ist. Stark dezimiert ist auch der Wendehals, eine Spechtart, die in der Lobau, aber auch in größeren Gärten brütet. Der Wendehals ist auf offene, magere Wiesen angewiesen, wo er viele Ameisen findet.
Ausgestorben
Die Krickente dürfte in Wien komplett ausgestorben sein. Um die Jahrtausendwende hat sie noch vereinzelt in der Lobau gebrütet. Sie ist in ganz Österreich stark gefährdet.
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