"Uns mit Ischgl zu vergleichen, ist ein Witz"
Selbst in brasilianischen Medien war der Semmering, der beliebte Hausberg der Wiener, in den vergangenen Tagen Thema. „Aber uns mit Ischgl zu vergleichen, ist ein Witz“, sagt Bürgermeister (ÖVP) Hermann Doppelreiter. Erholsam waren die Feiertage für den Ortschef nicht. Sein Kurort war international in aller Munde, der Bürgermeister hin- und hergerissen.
Nicht ausuferndes Après-Ski oder die wedelnden Wintersportler selbst hatten den Tourismusort in einen Ausnahmezustand versetzt. Vielmehr waren es Tausende Spaziergänger, Rodler und Freizeitsuchende, die alle Kapazitätsgrenzen in Zeiten von Covid-19 sprengten. „So etwas habe ich in 27 Jahren als Liftbetreiber hier noch nicht erlebt. Man fühlt sich fast ausgeliefert“, sagt Joe Latzelsperger vom Happy-Lift. 30 Securitys in gelben Westen gehören seit einigen Tagen ebenso zum Ortsbild wie Kinder in Skischuhen. Das Sicherheitspersonal steht an allen Ein- und Ausfahrten, bei den Parkplätzen der Bergbahnen, den Supermärkten oder der Zufahrt zur Arztpraxis. Absperrgitter verbreiten einen Charme, auf den man im Kurort gerne verzichten würde. „Verstehen Sie uns nicht falsch. Es ist jeder Gast herzlich willkommen, aber wir wurden regelrecht überrannt“, so Latzelsperger.
Während auf niederösterreichischer Seite Behörde und Polizei hart durchgriffen, verwandelten undisziplinierte Gäste die alte Semmering-Passstraße auf steirischer Landesseite in einen illegalen Riesen-Parkplatz. Die Kolonne Hunderter parkender Autos am Fahrbahnrand reichte mehrere Kilometer in Richtung Spital am Semmering zurück. Wenn die Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag nicht energisch durchgreift, fürchtet Doppelreiter bereits am Mittwoch, 6. Jänner, den nächsten Super-GAU. „Wir brauchen ein absolutes Halte- und Parkverbot entlang der Passstraße. Nur so kann man verhindern, dass wieder mehr Menschen kommen, als wir bewältigen können“, appelliert der Ortschef an die steirischen Behörden.
Absage der Bezirkshauptmannschaft
Dieser Wunsch droht jedoch an einer juristischen Spitzfindigkeit zu scheitern. Wie Bezirkshauptmann Bernhard Preiner betont, könne man aus rechtlichen Gründen kein generelles Halteverbot entlang der Strecke verordnen. „Der Streifen, auf dem geparkt wird, ist außerhalb der Fahrbahn. Daher zählt es rechtlich gesehen nicht mehr zur Straße und kann daher auch nicht über die Straßenverkehrsordnung geregelt werden“, so Preiner. Aber alles, was man rechtlich tun könne, werde freilich ausgeschöpft, sagt der BH-Chef.
Dort, wo die Straße dreispurig ist, wurde bereits vor dem vergangenen Wochenende ein Fahrstreifen mit Pollern und Absperrgittern versehen. Weil die Autolenker diese Hindernisse aber kurzerhand eigenständig entfernten und kreuz und quer parkten, habe die Bezirkshauptmannschaft am Montag nochmals eine Verschärfung angeordnet. Zusätzlich wurden die Hindernisse mit Absperrbändern versehen, sagt Preiner.
Weil immer mehr Besucher am Semmering offensichtlich Migrationshintergrund haben, wurden die Hinweis- und Warnschilder mehrsprachig angebracht. Auch türkischsprachige Zeitungen, Internet-Plattformen und Radios wurden mit Informationen gefüttert. Die Türkische Kulturgemeinde informierte ihre Community sogar mit Artikeln in ihrer Zeitschrift und rief dazu auf, den Semmering zu den Stoßzeiten zu meiden.
Insgesamt nagt die besondere Situation in Zeiten von Corona vor allem am Nervenkostüm der Einheimischen. Vergangenen Sonntag waren die Nebenstraßen und Hauseinfahrten auf der Höhenstraße im Ort derart verparkt, dass Hausbewohner nicht einmal zu ihren Grundstücken und Wohnungen zufahren konnten. „Das regt natürlich besonders auf“, sagt Doppelreiter.
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