Semmering-Basistunnel: Sechseinhalb Jahre Haft für Betrug auf Baustelle
Am Dienstag ist am Landesgericht Leoben der Prozess wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges rund um den Bau des Semmering-Basistunnel zwischen Niederösterreich und der Steiermark zu Ende gegangen. Fünf der sechs Angeklagten wurden schuldig gesprochen, nur in einem Fall setzte es einen Freispruch.
Der Hauptbeschuldigte, ein 35-jähriger Niederösterreicher, der als Chefeinkäufer des Marti-Tunnelbaukonsortiums der Kopf hinter dem groß angelegten Betrug mit einem Schaden von fast 2 Millionen Euro gewesen sein soll, fasste sechseinhalb Jahre unbedingte Haft aus. Für vier weitere Angeklagte gab es teilweise bedingte Haftstrafen zwischen zehn Monaten und drei Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Aufgeflogen ist der Fall, als zwischen 2018 und 2019 auf der Baustelle Grautschenhof bei Mürzzuschlag in der Steiermark 200.000 Liter Diesel-Treibstoff für die Tunnelmaschinen und Fahrzeuge spurlos verschwanden. Wie die Ermittlungen ergaben, wurden die Diesel-Lieferungen umgeleitet und an Bauern aus der Region gegen Bares für 70 bis 80 Cent pro Liter verkauft. Es kam zu einer internen Aufarbeitung des Falles und einer Anzeige bei der Polizei.
Teil abgezweigt
Drahtzieher des Coups soll der 35-jährige Chefeinkäufer des beauftragten Marti-Tunnelbaukonsortiums gewesen sein. Die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) ist für den Bau des sieben Kilometer langen Tunnelabschnitts Grautschenhof verantwortlich. Bei den enormen Mengen an Treibstoff für die Maschinen und Tunnelfahrzeuge, Stahl, Beton und anderen Materialien, soll der ehemalige Mitarbeiter den Plan gefasst haben, einen beachtlichen Teil davon abzuzweigen und sich so ein schönes Zubrot zu verdienen. Wie gewieft diese Masche vonstatten gegangen sein soll, hat das Landeskriminalamt Niederösterreich akribisch aufgearbeitet.
Der 35-jährige Beschuldigte war als Baukaufmann auch für die Rechnungskontrolle bei dem Baulos verantwortlich. Er soll - zusammen mit den anderen Angeklagten - die ARGE geschädigt und sich selbst oder Dritte dadurch bereichert haben.
"Körberlgeld für die Oberen"
Ein 48-Jähriger gab zu, beim Abzweigen des Diesels geholfen zu haben. Der hauptverdächtige 35-Jährige habe ihn dazu ins Boot geholt: „Er fragte mich, ob ich nicht ein paar Bauern wüsste, die Diesel brauchen, der beim Semmering-Basistunnel übrigbleibt.“ Als er genügend Abnehmer gefunden hatte, kümmerte sich der 48-Jährige unter anderem um das Einkassieren bei den Landwirten, die für den Treibstoff 70 bis 80 Cent bezahlten. Zum Teil sei der Inhalt eines ganzen Tankwagens auf diese Weise verkauft worden.
Der Erlös sei das „Körberlgeld für die Oberen“ und das sei so üblich auf derartigen Baustellen, soll der 35-Jährige zum 48-Jährigen gesagt haben. Die Landwirte hätten übrigens alle gewusst, dass der Diesel von der Tunnelbaustelle kam. Mitgemacht habe der Beschuldigte auch deswegen, weil er sich als Außendienstmitarbeiter einer Transportfirma weiterhin Aufträge für seinen Arbeitgeber erwarten konnte.
Im Zusammenhang mit dem Bau eines Containerdorfes für die Mineure sollen an die Arge 24 Scheinrechnungen mit einer Schadenssumme von 385.000 Euro gestellt worden sein. Dass die Container gar nicht errichtet wurden und dennoch Rechnungen über Gebäudeinstallationen bis hin zur Elektrotechnik und Full-HD-Fernseher an die Arge Grautschenhof verrechnet wurden, blieb zunächst unerkannt. Die Ware ging stattdessen an einen Komplizen beziehungsweise dessen Firmen.
Überhöhte Preise verrechnet
Besonders perfide soll der Chefeinkäufer der Tunnelbaustelle mit einem Bekannten vorgegangen sein, der eine eigene Firma für Stahlhandel gründete und so über Nacht zum Hauptlieferanten für das Baulos wurde. Bei der Rechnungslegung sollen entweder überhöhte Preise verrechnet, oder über Scheinrechnungen gar nicht getätigte Lieferungen kassiert worden sein.
„Auf diese Art und Weise bezahlte die Arge Grautschenhof einen Betrag von 691.943,26 Euro an den Stahlhändler, ohne dafür tatsächlich eine Gegenleistung in diesem Wert erhalten zu haben. Davon erhielt der Zweitangeklagte einen Barbetrag von etwa 200.000 Euro“, hieß es in der Anklage. Rechtsanwalt Harald Schuster vertritt den Verantwortlichen der Stahlfirma, der gegenüber den Ermittlern reinen Tisch machte. „Er ist großteils geständig und hat zur Wahrheitsfindung beigetragen“, so Schuster.
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