Seesaibling in Not: Wie der Klimawandel Fischen zusetzt
Mehr als 30 Grad – das gleich mehrmals. Da versprach ein Sprung in Österreichs Seen Erfrischung. So wohltuend das für die Menschen ist, die steigenden Temperaturen heizen das Wasser auf. Das hat dramatische Folgen für das Ökosystem unter der Oberfläche.
„In den Seen ist die Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahren um zwei Grad gestiegen – auf das ganze Jahr gesehen. Das trifft vor allem Fische, die es kühl brauchen. Der Seesaibling kriegt massive Probleme“, sagt Gewässerökologe Michael Schauer.
Das hat mit der sogenannten Schichtung des Wassers zu tun: Im Sommer und Winter ist der See stabil, im Frühling und Herbst mischt er sich durch. „Der Sauerstoff sinkt in dieser Phase in die Tiefe. Und je länger die Schichtung stagniert, umso weniger Sauerstoff gibt es in der Tiefe.“
Saiblinge kommen anderen Fischen in die Quere
Und das stört Forellenartige wie den Saibling. „Fische, die sich normalerweise in Tiefen von 30 bis 120 Metern aufhalten, müssen aufsteigen. Und im oberen Stockwerk kommen sie auf 15 bis 30 Metern Tiefe etwa der Reinakne in die Quere, es entsteht eine Nahrungskonkurrenz. Auch sie kriegt Probleme“, sagt Martin Luger, Leiter der Abteilung Seenkunde im Bundesamt für Wasserwirtschaft in Scharfling.
Dafür haben es Karpfenverwandte und Barsche leichter, sie mögen es warm. Selbst jene wie der Sonnenbarsch, der aus Nordamerika stammt – und nicht nach Österreich gehört. Der wurde ausgesetzt, tauchte in Wien zuerst auf – und macht nun die Ufergewässer des Attersees unsicher. Zumindest für andere Fische: „Er ist sehr territorial, verjagt alles und ist ein Raubfisch“, sagt Schauer.
Am Lunzer See in Niederösterreich, der lange für seine kalten Temperaturen bekannt war, breiten sich Rotauge und Hecht aus. Letzterer verdrängt nicht nur Saibling und Forelle, sondern frisst sie auch.
- Seesaibling: Der Fisch braucht klares, kaltes, sauerstoffreiches Wasser und hält sich gerne in tiefen Wasserzonen auf.
- 21 Grad: Ab dieser Wassertemperatur wird es für den Seesaibling tödlich.
- In Gefahr: Laut der Fachzeitschrift „Acta ZooBot Austria“ gilt mehr als die Hälfte der heimischen Fischarten als gefährdet oder ausgestorben.
- 8 Kilogramm Fisch isst im Durchschnitt jeder Mensch in Österreich pro Jahr. Lediglich sechs Prozent davon stammen aus Österreich.
Auch am Traunsee sieht es derzeit eher traurig aus: „Gestern habe ich eine Reinanke gefangen, heute gar keine“, klagt ein Fischer. Der zuständige Revierleiter ortet auf Nachfrage ein Sommerloch und sagt: „Es gibt genug Fische“.
Und doch haben sich die Netzfischer vom See für bestimmte Arten darauf geeinigt, den Fang eine Weile auszusetzen: Der für den originalen „Stanglfisch“ so notwendige Riedling hat ebenso Schonzeit wie der Saibling. „Wir hoffen, dass sie noch da sind, nur tiefer unten“, sagt der Fischer.
Seine Standeskollegen und er rätseln über den Grund für die Misere. Man setze ja viele Fische ein. Mögliche Ursachen wurden aufgeworfen: Die invasive Quaggamuschel, die den Fischen die Nahrung entziehe. Alte „Produktionsrückstände“, die ein Unternehmen einst in den See einleitete, werden genannt. Oder zuletzt auch der Bau eines Pumpspeicherkraftwerks am Sonnstein, wo der See verschmutzt worden sei.
Invasive Quaggamuschel am Traunsee
„Die Quaggamuschel vermehrt sich das ganze Jahr über und breitet sich bis in die Tiefe aus. Sie wird auch im Ökosystem See Auswirkungen auf die Wasserqualität haben. Durch die Filtriertätigkeit kommt es womöglich zu einem Absinken des Nährstoffniveaus, was dann indirekt Auswirkung auf die Fische hat. Aber auf direktem Weg nimmt sie den Fischen die Nahrung nicht weg“, sagt Luger.
Der Schlammkegel sei im Echolot gut zu erkennen – und seit Jahren unverändert. „Mittlerweile ist er sicher mit einer natürlichen Sedimentschicht überzogen.“
Und das Kraftwerk? „Es gab am 26. Juli einen Störfall“, heißt es aus der Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft des Landes Oberösterreich. „Es kam zu einer optischen Trübung – aber eine Prüfung ergab, das hatte keinen Einfluss auf die Fische.“
„Die Befischung hat in der Regel den größten Einfluss auf den Fischbestand“
Was ist denn nur der Grund fürs Verschwinden? Schwierig. „Unsere Seen sind multifaktorielle Ökosysteme. Viele kleine und große Zahnräder greifen wie in einem komplizierten Getriebe ineinander. Kommt ein neues hinzu oder bricht eines weg, läuft das Ganze nicht mehr wie gewohnt. Die Auswirkungen sind oft schwer- und erst nach einiger Zeit verständlich“, schickt Luger voraus. Die Seen sind komplex. Andere Wissenschafter sagen: Die Natur ist ein Hund.
Zu viele Fische herausgeholt?
Der Verdacht, dass Fischer zu viel herausholen würden, sei gegeben, meint Luger. Denn Befischung habe in der Regel den größten Einfluss auf den Bestand: „Aber wir bräuchten dafür eine verlässliche Ausfangstatistik. Es wird sonst wie in einer mittelalterlichen Blackbox gefischt. Möglicherweise sogar am Fischbestand vorbei.“
Die Bewirtschaftung müsse an den Bestand angepasst werden und nicht umgekehrt. „Aktuell sind unsere Seen durch die Klimaerwärmung und invasiven Arten großen Veränderungen ausgesetzt. Was für die Großväter noch richtig war, muss es heute nicht mehr sein.“
Schnelles Wachstum
Fische man heutzutage mit den Netzen der Großväter mit großer Maschenweite, werde man möglicherweise wenig fangen. „An vielen Seen sind die Reinanken heute kleiner als vor 30 Jahren und davor.“
Für dieses Phänomen gebe es zwei Theorien: „Ein Ansatz ist die Selektion. Kurz gesagt: Da die großwüchsigen Fische immer vorzeitig weggefangen wurden, haben sich irgendwann nur mehr die kleinen fortgepflanzt.“ Die zweite Erklärung macht den Klimawandel dafür verantwortlich: „Dadurch verkürzt sich die Zeit, in der sich die Reinanken voll entwickeln. Sie wachsen schneller, werden aber kleiner.“ Für Luger die plausiblere Erklärung, weil sich das Phänomen in vielen unterschiedlich bewirtschafteten Seen zeigt.
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