Schulstart: Langschläfer und der wiederkehrende Kampf mit dem Wecker
Der Artikel ist Teil einer KURIER-Serie zum Schulstart. Den ersten Teil, ein Interview mit Bildungspsychologin Barbara Schober zu den Auswirkungen von Pandemie, Krieg und Teuerungen auf Schulkinder, finden Sie hier.
Die einen hüpfen morgens noch vor dem Klingeln des Weckers aus den Federn, starten gut gelaunt und munter in den Tag. Die anderen drücken das Läuten mehrmals weiter, kosten jede Sekunde aus und kommen nur mit unglaublich viel Aufwand aus den Federn. Jeder Morgen ist ein neuer Kampf, den es unbedingt zu gewinnen gilt, weil Verpflichtungen und fixe Zeitabläufe warten.
Wenn nun die Schule wieder losgeht, ist es für viele Schülerinnen und Schüler und deren Eltern täglich ein großer Kraftakt, rechtzeitig im Unterricht zu erscheinen. Das morgendliche Stresslevel erhöht sich dadurch ungemein.
Die Wissenschaft teilt uns Menschen in zwei Schlaftypen ein: Eulen und Lerchen. Die Namen sind vielsagend. Unter "Eulen" versteht man Menschen, die vor allem nachmittags und abends produktiv sind, oft sehr lange wach bleiben und dafür morgens länger schlafen. Lerchen sind bereits am Morgen aktiv, nutzen den gesamten Tag, um dann abends eher früher ihren Schlaf zu finden. Welchem Typ jemand zuzuordnen ist, ist zum großen Teil Genetik, zu einem kleineren Teil sind es äußere Umstände.
"Der Schlafrhythmus verändert sich im Laufe des Lebens mehrmals. Kleinkinder sind eher Frühaufsteher, in der Pubertät ändert sich das, auch wegen der hormonellen Umstellungen. Und im Alter verschiebt sich das dann wieder, sprich je älter, desto früher der Start in den Tag", erklärt Thomas Mitterling, Neurologe und Schlafmediziner am Neuromed Campus in Linz.
Der frühe Schulstart um 8 Uhr ist für viele Kinder und Jugendlichen ein echtes Problem: Sie kommen müde und unkonzentriert ins Klassenzimmer. Zahlreiche Studien belegen, dass die Konzentration von Kindern und Jugendlichen zwischen 9 und 12 Uhr am höchsten ist. Eine Untersuchung an einer US-Highschool in Rhode Island hat gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler konzentrierter sind, wenn sie morgens nur eine Viertel- oder halbe Stunde länger schlafen können. Den Rhythmus eines Kindes oder Teenagers komplett zu ändern, sei schwierig, so Mitterling, "Verschiebungen sind aber definitiv möglich."
"Sozialer Jetlag"
Wer ständig gegen seinen inneren Rhythmus lebt und versucht, versäumten Schlaf zum Beispiel am Wochenende aufzuholen, befindet sich in einem so genannten "social jetlag": Unsere innere Uhr teilt die Zeit in Wach- und Ruhephasen ein. Wenn wir von Montag bis Freitag jeden Tag um sechs Uhr aufstehen, dafür am Wochenende viel länger aufbleiben und dann zum Beispiel bis 9 Uhr ausschlafen, haben wir Zeitzonen überschritten. Sprich, die innere Uhr kommt ins Ungleichgewicht. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sollen an sozialem Jetlag leiden, nur rund ein Drittel der Gesellschaft wacht natürlicherweise früh auf.
Chronobiologie nennt sich jene Wissenschaft, die sich mit zeitlichen Rhythmen innerhalb des Körpers und deren Auswirkungen auf die Gesundheit auseinandersetzt. Dabei gibt es neben dem 24-Stunden-Takt noch viele andere zeitlich relevante Zyklen im menschlichen Körper: die Millisekunden der Nervenimpulse, 90-minütige Schlafphasen, das Auf und Ab der Hormone und Botenstoffe oder den Monatszyklus von Frauen.
Wer Gewissheit über seinen Schlaftyp bekommen will, kann sich einerseits an konkreten Online-Fragebögen (etwa "morningness–eveningness questionnaire" von James A. Horne and Olov Östberg) versuchen. Andererseits gibt es seit kurzem die Möglichkeit, den Chronotyp mittels Haarprobe bestimmen zu lassen. Der Test wurde von Wissenschaftlern an der medizinischen Fakultät Charité in Berlin entwickelt und startet preislich bei 399 Euro (www.innereuhr.com).
Dass ein Schulstart um 8 Uhr kein Fixum sein muss, zeigt ein Blick über die Ländergrenzen hinaus: In Schweden und Großbritannien beginnt die Schule bereits um 9 Uhr. Das kommt vor allem Jugendlichen entgegen, bei denen der Körper mit Beginn der Pubertät länger wartet, bevor er mit der Produktion von Melantonin beginnt. Das ist jenes Hormon, das den Schlaf fördert und dafür sorgt, dass man müde wird.
Experten-Tipps
Einige hilfreiche Tipps für ausreichend Schlaf gibt es aber trotzdem. Neurologe Thomas Mitterling erklärt, wie das Einschlafen früher und besser funktionieren kann - auch für Teenager:
- Rausgehen Regelmäßige Zeiten in der frischen Luft bei Tageslicht helfen abends, leichter in den Schlaf zu finden.
- Bildschirme weg Egal, ob Handy, Tablet oder Laptop, technische Geräte aller Art sind für die Schlafhygiene wenig förderlich. "vor allem das helle Blaulicht von Bildschirmen unterdrückt die Melatoninproduktion. Dadurch wird das Einschlafen natürlich schwieriger."
- Regelmäßigkeit Der Körper kann sich bis zu einem gewissen Grad an regelmäßige Schlafenszeiten gewöhnen. Dabei geht es nicht darum, den Schlaftyp zu verändern, sondern die Schlafenszeiten zu verschieben. Fixe Zeiten, zu denen man ins Bett geht, sind also auf jeden Fall sinnvoll.
- Frischluft Wichtig sei es, so der Experte, auch auf die Qualität des Schlafes zu achten. Sprich, abends für eine ruhige Stimmung sorgen und dafür sorgen, dass das Zimmer gut durchgelüftet und kühl ist.
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