Ruprechtskirche: Terrorziel wurde wochenlang verheimlicht
„...vom Sterbn und Lebn!“, hieß die Veranstaltung, die zu Allerseelen in der Ruprechtskirche stattgefunden hat. Ab 19.30 Uhr wurde ein Livestream übertragen. Neben den beiden Veranstalterinnen nahmen noch 14 weitere Jugendliche daran teil. Die Initiative war erst im Frühjahr gegründet worden, um jungen Menschen Gebete auch während des Lockdowns zu ermöglichen. Dies hätte die Abschlussveranstaltung vor der zweiten großen Corona-Ausgangssperre sein sollen. Fast 70 Personen zeigten sich auf Facebook interessiert an der Veranstaltung.
Verbarrikadiert
Die Ermittler gehen davon aus, dass dieser Event das Ziel des Attentäters von Wien gewesen ist. Die Jugendlichen haben aber zuvor die Schüsse gehört, sich verbarrikadiert und das Licht gelöscht. Offenbar hatten sie auch Glück, da es für die Zugangstür eine Zeitschaltuhr gab und der Angreifer mit dem Sturmgewehr daran scheiterte.
Das könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass es für einen derartigen Anschlag vergleichsweise wenige Opfer (vier Tote) gegeben hat. Wäre der Attentäter in die Kirche vorgedrungen, wären wohl weit mehr Todesopfer zu beklagen gewesen. Berichte, wonach der Täter angeblich den Livestream zumindest kurz verfolgt haben dürfte, blieben unbestätigt.
Dass der Attentäter an der Tür gescheitert war, hatte der KURIER wenige Tage nach dem Anschlag berichtet. Auch damals war den Ermittlern und der Justiz bekannt, dass die Ruprechtskirche ein mögliches Ziel gewesen ist. Rund ein Dutzend der Jugendlichen sind dazu einvernommen worden.
Doch auch in diesem Fall war von der nach dem Anschlag versprochenen Transparenz nichts zu bemerken. Nachdem Innenminister Karl Nehammer am Donnerstag eine verstärkte Bewachung der Kirchen angekündigt hat und in der Folge massive Kritik der Opposition einstecken musste, sickerten diese Ermittlungsergebnisse nun doch an die Öffentlichkeit.
Aus gut informierten Kreisen war zu vernehmen, dass dies bereits vor zwei Wochen bekannt gegeben werden hätte sollen, die Justiz das aber nicht wollte. Wohl ein weiterer Punkt, den sich die unabhängige Untersuchungskommission anschauen wird.
Krisengespräch
Die Auseinandersetzungen hinter den Kulissen haben bereits derartige Ausmaße angenommen, dass kommende Woche ein Krisengipfel zwischen Innen- und Justizministerium stattfinden wird. Innerhalb der Justiz war man schwer verärgert, dass am Tag nach dem Attentat bereits Vorwürfe laut wurden, der Angreifer sei zu früh auf freien Fuß gesetzt worden. Zufällig ab dem Folgetag kursierten Gerüchte, Kujtim F. sei angeblich ein Informant des Verfassungsschutzes gewesen. Dass nun Informationen über den Terroranschlag zurückgehalten werden mussten, sieht man in Exekutiv-Kreisen als eine weitere Retourkutsche aus den Reihen der Justiz.
Fest steht, dass die Bevölkerung über zwei Wochen lang im Unklaren darüber gelassen wurde, dass heimische Kirchen mögliche Ziele von Anschlägen sind. Die Pannenserie rund um den Terrorangriff in Wien nimmt damit auch weiter kein Ende. Und die von Nehammer ausgerufene Bewachung durch die Cobra hat nun Sinn.
Die Ruprechtskirche wäre jedenfalls durchaus ein aufsehenerregendes Ziel gewesen, handelt es sich doch um die älteste Kirche Wiens. Ein vergleichsweise kleines Gotteshaus ist auch schlechter bewacht, die Wirkung dennoch groß. Das alles sind jedenfalls nun weitere Indizien, dass das Attentat nicht damit in Zusammenhang steht, dass der Angreifer eventuell Wind von der Operation Ramses/Luxor bekommen hat.
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