Kurz vor Weihnachten ist einmal mehr eine Debatte rund um das Betteln entbrannt: In Wien hat sich SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker für eine schärfere Gangart gegen organisiertes Betteln ausgesprochen. In Innsbruck will der grüne Bürgermeister Georg Willi das seit 2015 bestehende Bettelverbot diese Woche im Gemeinderat kippen.
Das Verbot gilt rund um Oster- und Weihnachtsmärkte in der Stadt. Ansonsten greift das Landespolizeigesetz. Und das wird von der Innsbrucker Polizei derart scharf ausgelegt, dass Bettler auch abseits der Zeiten der absoluten Verbote praktisch aus dem Stadtbild verschwunden sind.
Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose begrüßt das mögliche Aus für die Bettelverbote der Stadt bei den Märkten. „Aber das ist ein Symbol und ändert nichts an der Härte, mit der gegen die Bettler vorgegangen wird“, sagt er.
Das Landespolizeigesetz erlaubt stilles, untersagt aber aufdringliches, aggressives und gewerbsmäßiges Betteln. Mit dem Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit ist die Polizei relativ rasch bei der Hand, wie vom Verein für Obdachlose und seinen Streetworkern dokumentiert wurde.
„Professioneller“ Sitz
„Sitzend am Gehsteig mit Bettelbecher mit professionellem Sitzkasten“, hat etwa ein Beamter auf einem Bettler-Strafbescheid notiert.
Auf einem anderen wird die Gewerbsmäßigkeit handschriftlich so begründet: „Da Siebetteln, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, kein Wohnsitz, keine Arbeit, Becher“. All das trifft freilich praktisch auf jeden Armutsreisenden zu.
„Die Leute werden zunehmend kriminalisiert“, sagt Streetworkerin Hanneliese Hoferichter.
Die einzelnen Strafen belaufen sich auf bis zu 500 Euro. Im Fall einer Bettlerin, die im Herbst 2018 vor der Innsbrucker Gebietskrankenkassa um Almosen bat, bekam die Frau innerhalb von neun Minuten zwei Strafen in Höhe von je 400 Euro ausgestellt.
„Sie sind am Boden gekniet und haben vor sich einen Becher aufgestellt“, wird das in der Strafverfügung begründet. Keine Rede von aufdringlichem Verhalten. Aber erneut von Gewerbsmäßigkeit.
Florian Greil, Leiter des Strafamts der Landespolizeidirektion Tirol, sprach gegenüber dem KURIER im vergangenen Jahr von „repressiver“ Vorgangsweise: „Wir haben von der Behörde begleitete Kontrollstreifen durchgeführt. So können Verstöße relativ flott geahndet werden.“
Bei derartigen Spezialstreifen werden Strafverfügungen direkt von der Behörde an die Bettler „zugestellt“. Die Strafen werden nach zwei Wochen – außer bei einem Einspruch – rechtskräftig. Werden die Armutsreisenden nach dieser Zeit wieder angetroffen, müssen sie anhängige Strafen sofort zahlen.
Haft und Abschiebung
Wer das nicht kann, dem drohen Ersatzfreiheitsstrafen. Zum Teil werden aber auch mit Hilfe des Fremdenrechts Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betroffene aus einem EU-Land wie etwa Rumänien kommt. Argumentiert werden derartige Maßnahmen mit einer „erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“.
Das Vorgehen steht aber auf rechtlich wackeligen Beinen. Im März 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht das Aufenthaltsverbot gegen einen aus Innsbruck abgeschobenen Bettler aufgehoben.
Überschießende Maßnahme
Der Umstand, dass der strafrechtlich unbescholtene Rumäne eine Reihe von Verwaltungsübertretungen begangen hat, erfüllt laut dem Urteil nicht die Voraussetzungen für ein derartiges Vorgehen.
„Innsbruck ist eigentlich eine sehr soziale Stadt mit großem Angebot für notleidende Menschen. Aber hier wird massiver Druck auf Armutsbetroffene ausgeübt“, sagt Hennermann.
Verlagerung
Wie zweischneidig das Thema Bettelverbote ist, zeigt sich auch in Salzburg. Dort gibt es ein örtlich und zeitlich begrenztes Verbot, das rechtlich hält.
Dazu, dass sich keine Bettler mehr in der Stadt aufhalten, hat das nicht geführt. Die Bettler meiden die Tabuzonen überwiegend. Im restlichen Stadtgebiet bitten aber unverändert zahlreiche Armutsmigranten um Geldspenden. Das Verbot hat also nur einen Verlagerungseffekt.
Kommentare