Reichsbürger in Österreich: Welche Gefahr geht von der Szene aus?
Er gilt als einer der größten Antiterrorprozesse, die bisher in Deutschland stattgefunden haben: Am Oberlandesgericht Stuttgart müssen sich neun mutmaßliche "Reichsbürger-Verschwörer" verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft den neun Angeklagten der Gruppe rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor, als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant zu haben. Festnahmen gab es damals auch in Österreich.
Der "Mammutprozess" - wie er in einigen Medien bezeichnet wird - wirft auch die Frage auf, wie die Reichsbürgerszene in Österreich aufgestellt ist. Laut DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) gehören der Szene hierzulande insgesamt rund 4.000 Menschen an.
"Keine Szene wie in Deutschland"
"Eine Reichsbürger-Szene wie in Deutschland gibt es in Österreich aus aktueller Sicht nicht. Eine Strömung der staatsfeindlichen Verbindungen in Österreich vertritt jedoch die Reichsbürgerideologie, die den Bestand des Deutschen Reiches auf Grundlage der Weimarer Verfassung weiterhin als gegeben ansieht", heißt es dazu auf KURIER-Anfrage aus dem Innenministerium (BMI).
Seit Mitte 2014 treten auch in Österreich staatsfeindliche Verbindungen auf, deren Anhänger den Staat, seine Verfassung und seine Institutionen nicht anerkennen. Die Handlungen der Mitglieder reichen von der Verweigerung behördlicher Maßnahmen - auch mit Gewalt - bis zu hin Betrugshandlungen im großen Stil.
Mehrere hundert Verurteilungen
"Ab 2017 gab es in Österreich gemeinsam mit der Justiz starke strafverfolgende Maßnahmen gegen Führungspersönlichkeiten und Mitglieder der größten staatsfeindlichen Verbindungen. Mehrere hundert Personen wurden seitdem gerichtlich verurteilt. Ehemalige Gruppierungen lösten sich nach Einschreiten der Behörden in den Jahren auf", so ein Sprecher des BMI.
Der „Staatenbund Österreich“ galt als die bisher größte „Staatsverweigerer“-Gruppierung, deren „Präsidentin“ sich gemeinsam mit einigen ihrer Mitstreiter im Oktober 2018 in Graz vor Gericht verantworten musste.
Alle Angeklagten wurden der Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung für schuldig befunden, die „Präsidentin“ und ihr Stellvertreter auch der versuchten Bestimmung zum Hochverrat. Sie bekamen Strafen in der Höhe von zwölf bis 30 Monaten Haft.
Neben dem "Staatenbund Österreich" zählen „International Common Law Court of Justice Vienna“ (ICCJV), „Global Common Law Court“ (GCLC), „Freeman Movement“ und „One People Public Trust“ (OPPT) zu den bekanntesten Gruppierungen. Neben dem aufsehenerregenden Prozess in Graz sorgten auch Razzien im Umfeld der Gruppe "Bundesstaat Preußen" im Sommer des vergangenen Jahres für Schlagzeilen.
"Richterin" in Slowenien gefasst
Ein Schlag gegen eine Führungsfigur dieser Gruppierung gelang den österreichischen Behörden erst vor Kurzem: Anfang März diesen Jahres konnte eine selbsternannte Richterin des fiktiven "Bundesstaates" in Slowenien gefasst werden, nachdem sie per EU-Haftbefehl gesucht worden war. In der angemaßten Funktion als Richterin wurden auch Haftbefehle gegen Polizisten und Richter ausgestellt.
Auf KURIER-Anfrage betonen Experten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), dass die Reichsbürgerszene in Österreich nicht zu unterschätzen sei: "Besorgniserregend sind insbesondere häufige Waffenfunde in dem Milieu. In Kombination mit der Ablehnung des Staates, Umsturzplänen und "Feindeslisten" stellen diese eine reale Gefahr dar."
"Papierterror"
Zudem habe es in den vergangenen Jahren einige Störaktionen in Form von "Papierterror" gegeben - also das Blockieren von Behördenarbeit durch eine Flut von Anträgen und Zuschriften, bis hin zu Drohungen, die sich vor allem gegen Angestellte des Staates richten. Zuletzt etwa nach den Razzien in Kärnten: Beamte der Staatsanwaltschaft Klagenfurt sowie deren Familien wurden damals von Reichsbürgern mit dem Tod bedroht, sollten diese die Ermittlungen nicht einstellen.
Nach Verhängung von teils langjährigen Haftstrafen zogen sich viele Staatsverweigerer in Österreich zurück, einige tauchten zu Beginn der Pandemie wieder auf. Das bestätigt auch das DÖW. "Aufschwung bekam die Szene besonders mit Corona. Staatsverweigerer und Rechtsextreme nahmen an den Demonstrationen teil und hielten vereinzelt auch Reden".
Eine Krise stellt für Staatsverweigerer schließlich auch immer eine Möglichkeit dar. Eine Möglichkeit, die Behörden und den Staat aus dem Gleichgewicht zu bringen.
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