Rachefeldzug gegen österreichische Elitesoldaten

Im Dienst gehört die Bewaffnung zu jedem Elitesoldaten. Privat haben die Behörden dem Jagdkommando das bisher aber nicht zugestanden
Sie haben in Afghanistan Hunderte Männer im Kampf gegen extremistische Gruppen wie die Taliban ausgebildet, ihnen Schießen beigebracht. Einige ihrer Schüler waren allerdings Schläfer oder haben schlicht die Seiten gewechselt.
Dass sich das Jagdkommando damit auch zum Ziel für Vergeltungsschläge gemacht hat, zeigt ein brisanter Fall: Bei einem afghanischen Asylwerber in Spanien ist kürzlich ein bedenklicher Fund gemacht worden. Der Mann hatte Fotos und die persönlichen Daten von zwei Jagdkommando-Ausbildern bei sich.
Die Österreicher zeichneten in Afghanistan im Zuge der „Resolute Support Mission“ zusammen mit anderen Nationen für die Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte im Krieg gegen die Taliban verantwortlich.
Auf den Fotos sind die Österreicher unmaskiert zu sehen. Ein bedauerlicher Fehler. „Die Aufnahmen sind anscheinend in Umlauf und in die falschen Hände geraten“, erklärt Jagdkommando-Kommandant Brigadier Philipp Ségur-Cabanac.
Geheime Akten
Mit dem hastigen Abzug der Amerikaner im Vorjahr aus Afghanistan hat das Regime vermutlich Zugang zu allen geheimen Akten des internationalen Einsatzes bekommen. Darunter auch die Daten der Österreicher, die bei der Einreise erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Das Jagdkommando bildete Sicherheitskräfte in Afghanistan aus
Was die Fotos und Unterlagen in Spanien anbelangt, hat die Botschaft in Madrid jedenfalls umgehend die österreichischen Behörden und das Jagdkommando informiert. Wo sich der afghanische Asylwerber aktuell befindet, ist nicht bekannt. Daher sei unklar, was der Mann genau im Schilde führe und welche Gefahr von ihm ausgeht.
Wie Ségur-Cabanac berichtet, seien Ausbilder internationaler Einheiten in Afghanistan schon mehrmals zum Ziel von Anschlägen geworden. „Deshalb wurde sogar die Ausbildungstaktik angepasst.“ Sogenannte „Guardian Angels“ wurden mit dem Finger am Abzug den Trainern zur Seite gestellt. Diese Taktik habe sich bewährt: „Damit konnten überraschende Angriffe von Afghanen auf die Ausbilder verhindert werden.“
Der Vorfall aus Spanien befeuert jedenfalls die Sicherheitsdebatte rund um die Soldaten. Im Zuge einer Verhandlung am Verwaltungsgericht Wien ist das Bedrohungsszenario vor wenigen Tagen erstmals öffentlich geworden. In dem Verfahren kämpfen neun Angehörige der Elitetruppe darum, einen Waffenpass zu bekommen, um sich in ihrer Freizeit schützen zu können.
20.000 Schüsse im Jahr
Bisher agierten die Behörden in der Sache restriktiv (siehe Zusatzbericht). Dem Anwalt der Soldaten fehlt dafür jegliches Verständnis. „Man findet keine besser trainierten Sicherheitskräfte im Land. Ihre Ausbildung verlangt 20.000 Schussabgaben pro Jahr unter extremen Stressbedingungen. Das sind absolute Profis“, erklärt der Jurist.
Ségur-Cabanac, der als Zeuge den Fall von Spanien darlegte, tritt entschieden dafür ein, dass seine Männer endlich Zugang zu einem Waffenpass bekommen. Dem Kommandanten sei bewusst, dass die Gesellschaft danach trachte, dass möglichst wenig Schusswaffen in Umlauf seien. „Wenn, dann sollten sie aber Personen haben, die damit umgehen können. Das wäre ein Mehrwert für die Sicherheit unserer Gesellschaft.“
VwGH sieht Elitesoldaten „konkret gefährdet“
Wie viele Schusswaffen verträgt das Land? Eine Frage, die seit dem Terroranschlag von Wien wieder öffentlich diskutiert wird. Nach den Anschlägen 2015 in Paris kam es wegen des Lagebildes auch zu einer Gesetzesänderung in Österreich. Mehr als 30.000 Polizisten bekamen wegen der akuten Gefahr 2017 das gesetzliche Recht auf einen Waffenpass.
Der Waffenpass
berechtigt zum Erwerb, zum Besitz und zum Tragen von Schusswaffen der Kategorie B (Faustfeuerwaffen, Repetierflinten, halbautomatische Schusswaffen)
73.900 Waffenpässe
sind mit Stand 1. März 2022 vergeben. Aktuell sind 333.312 Waffenbesitzer und 1.258.565 Schusswaffen registriert
Für Justiz (4.000 Beamte) und Militärstreife (400) erfolgte die Freigabe 2019. Keine gesetzliche Regelung gibt es hingegen für die etwa 100 Antiterror-Spezialisten des Jagdkommandos.
Nach dem Anschlag 2020 in Wien haben deshalb 45 von ihnen über ihren Anwalt einen Waffenpass bei der Behörde beantragt. In 18 Fällen erfolgreich, vier haben das Verfahren rechtskräftig verloren, 23 sind aktuell in diversen Instanzen immer noch anhängig.
Ein richtungsweisendes Urteil fiel im Februar im Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Erstmals sah der VwGH wegen „konkreter Gefährdung“ eines Soldaten den Bedarf für einen Waffenpass. Ihm wurde das Dokument zugesprochen.
Kommentare