Zahl der Drogenlenker explodiert: Heuer mehr als 10.000 Fälle?
Die Zahl der von der österreichischen Polizei erwischten Drogenlenker explodiert. Heuer könnten sogar erstmals mehr als 10.000 Lenker unter Einfluss von Cannabis, Kokain und Co auf frischer Tat ertappt werden.
Zum Vergleich: Zwischen 2007 und 2015 wurden lediglich rund 1000 suchtgiftbeeinträchtigte Autofahrer aus dem Verkehr gezogen. Seither steigt die entsprechende Bilanz jährlich um rund 20 bis 50 Prozent an. Im Vorjahr wurden insgesamt 7499 Drogenlenker erwischt. Doch dieser Rekordwert dürfte erneut gebrochen werden.
Festivals im Visier der Polizei
Heuer wurden laut Patrick Maierhofer vom Innenministerium bereits im ersten Halbjahr fast 4500 Lenker wegen des §5 StVO (Drogen im Straßenverkehr) den Strafbehörden angezeigt. Traditionell ist aber für dieses Delikt eher die zweite Jahreshälfte stärker, da rund um Weihnachten und in den Sommermonaten mehr gefeiert wird. Allein beim Frequency-Festival wurden im August 216 Drogenlenker herausgefischt.
Mehr als von Experten erwartet
Fest steht, dass sogar die Experten die Lage unterschätzt haben: Laut einer IFES Dunkelfeldstudie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aus dem Jahr 2019 kommt auf vier Alkolenker ein Drogenlenker. Bestünde bei Beeinträchtigung durch Suchtgifte eine ähnlich hohe Entdeckungsrate wie bei Alkoholdelikten müssten jedes Jahr 7000 Lenker angezeigt werden, heißt es in der KFV-Studie.
Tatsächlich dürfte das Verhältnis zwischen 1:2 und 1:3 liegen. Rund 70 Prozent der suchtgiftbeeinträchtigten Lenker sind jedenfalls Männer unter 40 Jahren. Die häufigste nachgewiesene Substanz ist Cannabis, gefolgt von Opiaten und Kokain.
Weniger gefährlich sind laut der DRUID-Studie der EU jedenfalls der alleinige Konsum von Ecstasy (keine Auswirkungen) oder Cannabis (wirkt wie unter 0,5 Promille). Das große Problem ist aber der Mischkonsum, Cannabis lässt etwa selbst mit minimalstem Alkoholkonsum die Unfallgefahr dramatisch steigen. Und in sehr vielen Fällen werden bei Drogenlenkern tatsächlich mehrere Substanzen nachgewiesen.
Was ist aber der Grund für die enorme Steigerung?
Österreich holt auf
Bis 2015 gab es ernsthafte Drogenkontrollen eigentlich nur in Wien, dann folgten Niederösterreich und Oberösterreich. Mittlerweile wurden sogar in Vorarlberg fast 500 Lenker im Vorjahr mit Rauschgift im Blut erwischt. Zwar steigt die Zahl der Drogentoten und -konsumenten leicht, eine Erklärung für derartig explodierende Zahlen ist das aber nicht.
Blickt man aber ins bevölkerungsmäßig ähnliche Bayern, dann werden dort seit Jahren konstant 10.000 bis 15.000 Drogenlenker pro Jahr erwischt. Die dort eingesetzten Testgeräte haben mittlerweile auch den Weg nach Österreich gefunden. Zusammen mit mehr Schulungen von Polizisten und vielen Schwerpunkten bei Festivals mit Amtsärzten dürfte dies zu den vielen Aufgriffen geführt haben. Wobei die "Jagdmethoden" sogar von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Niederösterreich schwört etwa auf die Speicheltests, Wien lehnt diese ab, weil Cannabis damit schwer nachweisbar ist.
Immer mehr Länder in Europa führen auch Grenzwerte - ähnlich wie Promille - für Cannabis ein. Ob diese Werte aber tatsächlich die Fahrtüchtigkeit widerspiegeln, daran gibt es massive Zweifel. Die Grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler wollte so etwas auch in Österreich einführen, scheiterte aber an massivem Widerstand von Innenminister Gerhard Karner. Das Argument der ÖVP: Für etwas Verbotenes kann es keinen Grenzwert geben.
Verkehrscoaching wird kritisiert
Bezüglich der Sanktionen gibt es jedenfalls laut vieler Experten Handlungsbedarf. Unstrittig ist zwar die Verwaltungsstrafe (von 800 bis 3.700 Euro plus einmonatiger Führerscheinentzug), viel Kritik gibt es aber an dem vorgeschriebenen Verkehrscoaching bei den Blaulicht-Organisationen. Selbst die Veranstalter halten die eigenen Kurse für wenig sinnvoll und haben diese teilweise eingestellt.
Noch weit gefährlicher als illegale Drogen am Steuer sind aber Benzodiazipine. Diese Medikamentengruppe wird bei Obduktionen von Verkehrstoten noch häufiger gefunden als alle illegale Drogen zusammen. Doch die "Benzos" werden gar nicht sanktioniert.
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