250.000 Lenker täglich im Drogenrausch
Die Beamten staunten nicht schlecht, als der Lenker sie fragte, ob sein Auto nun vom Polizei-Drogenhasen durchsucht wird. Tatsächlich saß ein weißer (ausgerissener) Hase vor seinem Auto im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet. Die Sorge des Lenkers war nicht unbegründet: Er war bekifft, in seinem Wagen fanden die Polizisten – auch ohne Hilfe des Hasen – mehrere Joints.
250.000 Fahrten im Drogenrausch werden täglich auf Österreichs Straßen durchgeführt, ergeben Zahlen der EU-Studie "Druid" und des Verkehrsministeriums. Die Lenker gefährden dabei nicht nur andere, sondern machen auch mehr als eigenartige Dinge – wie etwa jener eingerauchte Soldat (19), der im Mai im Linzer Bindermichltunnel stoppte, um für die Asfinag-Kameras seine Kunst als Feuerschlucker zu demonstrieren.
Dem Wahnsinn auf der Straße steht die Polizei mit veralteten Methoden gegenüber. Wie in den 70er-Jahren beim Alkohol müssen Drogenlenker beim Amtsarzt mit geschlossenen Augen ihre Zeigefinger zusammenführen oder lustige Figuren malen.
"Nicht zuverlässig"
Das Problem: Keiner der Tests ist genügend zuverlässig. Neue Verfahren in Form technischer Geräte, wie sie beim Alkohol zum Einsatz kommen, können nicht erwartet werden. So hält es ein Papier fest, das derzeit innerhalb der Polizei für Wellen sorgt. Der stellvertretende Chef der Wiener Verkehrspolizei, Oberst Josef Binder, hat in Zusammenarbeit mit Polizeiärzten in einer umfangreichen Bachelorarbeit die Schwachstellen in der Bekämpfung von Drogen am Steuer offengelegt. Ihm wurde ein Interviewverbot auferlegt, der KURIER konnte die Arbeit dennoch einsehen. Der oft geforderte Speicheltest wird darin von Ärzten als "Schwachsinn" bezeichnet. Kritisiert wird außerdem, dass Österreichs Polizisten zu wenig geschult sind auf diesem Gebiet. Gerade einmal zwei oder drei Drogenfahrten werden täglich enttarnt. Tendenz: fallend.
Ein weiteres Problem ist, dass die Beamten den Lenker zum Amtsarzt bringen müssen. Dieser muss tatsächlich (mit den zuvor beschriebenen Übungen) nachweisen, dass eine Berauschung vorliegt. Verkehrspolizisten berichten davon, dass sie das nur machen, wenn sie sich ziemlich sicher sind, einen Treffer zu landen, also etwa Drogen-Utensilien gefunden werden. Dazu kommt, dass im ländlichen Bereich der nächste Arzt oft weit entfernt ist – besonders nächstens und am Wochenende, der Hauptzeit für Drogen.
Seit Jahren werden dennoch immer wieder neue Methoden angekündigt. Dauerbrenner ist die Drugwipe, oft im Gespräch ist die Frenzelbrille. Vergangenes Jahr wurde der Haartest als Wunderwaffe angepriesen. Dieser wird seither etwa in Linz erprobt. Dort heißt es dazu lapidar: "Bisher gab es kaum Haartests, weil die meisten Drogensüchtigen ihre Haare abrasiert haben." Tatsächlich sind sechs Zentimeter Haare notwendig, um aussagekräftige Untersuchungen durchführen zu können.
In Binders Arbeit wird eine Methode angeregt, wie die Chancen auf das Erwischen von Drogenlenkern, steigen könnten. Die Polizisten vor Ort sollten mit einer Art Reaktions-App fürs Handy ausgestattet werden, mit der Lenker geprüft werden könnten. Dann müssten die Beamten für so einen Test nicht bei stundenlangen Spitalsbesuchen Zeit verlieren.
Fazit des Papiers: Jedenfalls sei es notwendig, dass eine politische Diskussion in Gang kommt.
Vergleicht man die Zahlen der österreichischen Polizei mit jenen der bayrischen, bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder ist (das bevölkerungsmäßig fast gleich große) Bayern ein Drogenparadies. Oder in Österreich wird zu wenig gegen Drogen unternommen.Denn in Bayern wurden im vergangenen Jahr fast 9000 Drogenlenker aus dem Verkehr gezogen. "Bei 345 Verkehrsunfällen waren Drogen im Spiel, elf davon endeten tödlich", erklärt Michael Siefener, Sprecher des bayrischen Innenministeriums. "Bei uns werden die Polizisten viel geschult und wir verwenden Drogen-Schnelltests." Bei Schwerpunkt-Aktionen sind oft Amtsärzte mit vor Ort. Derartige Aktionen gibt es in Österreich nur vereinzelt in Wien und Linz.
Doch Bayern schaut auch genau, ob bei Unfällen Drogen im Spiel waren. In Österreich traut nicht einmal die Statistik Austria so ganz ihren eigenen Zahlen: "Da gibt es einen Bogen für die Polizei, aber ob da immer alles richtig angezeigt wird, das kann man nicht so genau sagen."
Bei den Toten schaut Österreich im Gegensatz zu den Bayern lieber weg. Bei Verkehrstoten werden überwiegend keine weiteren Untersuchungen des Blutes des Opfers von der Staatsanwaltschaft angeordnet. Offiziell heißt es dazu stets, dass den Hinterbliebenen damit Leid erspart werden soll.
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