Plattenläden: Die CD ist tot, lang lebe Vinyl
„Ich habe eine Platte und eine Kassette bestellt“, sagt ein Herr im Emi Music Store in der Kärntner Straße Nummer 30. „Ja, die ist hier“, sagt der Verkäufer und übergibt ihm die Schallplatte Voyage von ABBA, darauf ist eine Kassette mit Tixo befestigt.
Der Fernsehtechniker weiß bereits, dass der Musikladen nach mehr als 90 Jahren zusperren wird. „Es wundert mich, dass der Laden so lange überlebte“, sagt er. Er selbst sei zurück zu Vinyl und zur Kassette gekehrt, weil die Qualität besser sei und er sich dafür bewusst Zeit nehmen müsse.
An der anderen Seite, vor dem Schild Klassik, steht die 66-jährige Maria Lugert-Lang aus Böheimkirchen. In ihrer Hand befindet sich die neueste CD von Anna Netrebko und eine Rossini-Opern-Aufnahme. „Der Laden hier muss schließen? Das ist schrecklich“, sagt sie.
Seit sie denken kann, komme sie hierher, um Geschenke für ihre musikalische Familie zu besorgen. „So ein Sortiment, wie hier gibt es in ganz Österreich nicht mehr“, sagt sie.
Von Virgin bis Arcadia
Über die Jahre hinweg mussten in Wien viele Musikläden schließen. Man erinnert sich an den Virgin Mega Store in der Mariahilfer Straße, die Schallplattenwiege am Graben und die klassischen Musikläden Ascolta und Da Caruso im Zentrum. Erst im Jänner schloss Arcadia, das Geschäft in der Staatsoper.
Auch wenn es angesichts der schließenden Shops nicht so aussieht, ist bei internationalen Stars der Hype um Nostalgie-Tonträger ungebrochen – zumindest wenn es um Vinyl geht (siehe Artikel unten). Dafür ist das Geschäft mit CDs so gut wie tot.
Mit dem Ende des Emi Music Store stirbt jetzt das letzte Vollsortiment-Geschäft: „Wir waren immer viel mehr als nur Klassik, es gab auf drei Ebenen Pop, Jazz und Rock“, sagt der langjährige Mitarbeiter Christian Bakonyi.
Er kam vor fast 30 Jahren in den Laden. Beim Radiosender Ö1 gestaltet er manchmal die Jazz-Nacht. „Man sagt über uns, dass wir schrulliges Personal sind, aber fachlich die besten“, sagt seine Kollegin.
Die vielen Stammkunden bezeugen das: „Ich kaufe nur hier französische Chansons, als Kind kam ich mit meinem Vater her“, sagt eine Dame. Und ihr Vater war niemand geringerer als der Fotograf Franz Hubmann. Über ihn gab es unlängst eine Ausstellung in der Albertina.
Andere Stammkunden sind der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, Kabarettist Michael Niavarani oder Schauspieler Harald Krassnitzer. Michael Jackson gab hier eine Autogrammstunde – genauso wie Anna Netrebko und Georg Danzer. „Danzer war so frech zu den Leuten, das war lustig“, erinnert sich die Verkäuferin.
Über die Jahre hatte sich der Laden verändert, Untermieter zogen ein: einmal wurden zusätzlich Kaffeemaschinen verkauft, dann zogen in den ersten Stock ein Ticketgeschäft oder ein Lautsprecherhersteller ein.
Vergebliche Suche
Man erinnert sich an gute Zeiten: Die Maxi-CD von Elton John zu Dianas Tod erzielte etwa Rekorde. Die CDs gingen weg wie warme Semmeln. Aber was ist seither passiert? „Es wirkt so, als ob die Plattenfirmen die CD sterben lassen“, heißt es im Laden. Kunden suchen etwa vergeblich nach Aufnahmen wie jene der Zauberflöte von Karl Böhm mit dem Opernsänger Fritz Wunderlich. Sie werde aber nicht mehr produziert.
Szenenwechsel: Im 7. Bezirk in der Westbahnstraße 13 beim Shop Schallter läuft es gut. Hier gibt es allerdings auch keine CDs, sondern eben Vinyl. Darunter auch Raritäten, wie eine Sammlerplatte von Falco um fast 1.000 Euro. Aber auch Neues, etwa von der Band Bilderbuch.
Ankauf
Das Moses-Records (7., Lerchenfelder Straße 3) ist nach eigener Aussage Wiens größter Vinyl&CD-Shop. Es werden auch private CD- und Schallplattensammlungen angekauft
Nostalgisch
Das Teuchtler
(6., Windmühlgasse 10) ist im US-Kultfilm „Before Sunrise“ zu sehen – und ist somit auch interessant für all jene, die nicht nur bei Musik auf Nostalgie stehen
Geburtstag
Das Substance
(7., Westbahnstraße 16), feiert heuer sein 20-jähriges Jubiläum
Breit aufgestellt
Im Siluh Laden
(20., Wallensteinstraße 4–5) findet man neue und gebrauchte Platten mit Indie, Jazz und Worldmusic – darunter japanischer Pop aus den 1970er-Jahren
Fachwissen
In Lindi’s Schallplatten Laden (7., Burggasse 79) kann man sich laut Google Rezensionen auf profundes Hintergrundwissen verlassen
Dass Emi schließt, sei traurig: „Es ist ein weltweites Relikt, allein weil es diesen Namen trägt“, sagt Schallter-Chef Walter Gröbchen.
Der Musikladen „Emi Austria“ wurde um 1931 eröffnet, damals mit dem Namen „His Master’s Voice“. Zur selben Zeit fusionierten zwei größere Plattenlabels zu Emi, das später auch die Beatles produzierte.
Damals gab es noch das Logo mit dem Terrier namens Nipper. Er blickte in das Grammophon, um der Legende nach der Stimme des Herrchens zu lauschen.
Im Emi-Store, heute im Besitz von der Firma Universal Music, werden ab Dezember wohl alle Stimmen verstummen.
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