Peter Seisenbacher verhaftet und nach Wien ausgeliefert

Wie es mit Seisenbacher in der Ukraine weitergeht,  ist derzeit unklar
Der ehemalige Judoka wurde an der polnisch-ukrainischen Grenze gefasst und wurde am Donnerstag nach Wien ausgeliefert.

Der ehemalige österreichische Olympiasieger Peter Seisenbacher flüchtete nach Missbrauchsvorwürfen vor knapp zwei Jahren in die Ukraine, nun wurde er bei einem versuchten Grenzübertritt nach Polen festgenommen. Das bestätigt Seisenbachers Anwalt dem KURIER.

Seisenbacher soll bereits vor ein paar Tagen festgesetzt worden sein, er wollte mit gefälschten Papieren einreisen. Die polnische Polizei hielt ihn daraufhin einige Tage in Haft. Seisenbacher wird heute noch nach Wien in die Justizanstalt Josefstadt gebracht.

In Polizeibegleitung ausgeliefert

Kurz, bevor es für Peter Seisenbacher eng wurde, flüchtete er: Im Dezember 2016 sollte er sich im Landesgericht für Strafsachen in Wien wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs an zwei Mädchen vor Gericht stellen. Doch Seisenbacher tauchte nicht auf. Er tauchte unter. In die Ukraine.

Vor wenigen Tagen wollte er dann in der Nähe von Lemberg zu Fuß die grüne Grenze nach Polen überqueren. Der gesuchte 59-Jährige soll mit einem verfälschten Reisepass unterwegs gewesen sein. Ukrainische Grenzschützer griffen ihn allerdings auf. Seisenbacher soll deshalb auch einige Tage in der Ukraine  in Haft verbracht haben.

Donnerstag am späten Nachmittag wurde Seisenbacher von Lemberg (Ukraine) nach Wien geflogen. "In Begleitung der Polizei", wie sein Anwalt Bernhard Lehofer bestätigte. Seisenbacher wurde in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert.

In Österreich "kein faires Verfahren"

Bereits im Herbst 2013 hatte die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen gegen Seisenbacher eingeleitet. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere war Seisenbacher als Trainer seinem Sport treu geblieben. In seinem Wiener Judo-Verein soll er – laut Staatsanwaltschaft Wien –  zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitraum jeweils unmündige Mädchen missbraucht haben.

Am 19. Dezember 2016 hätte der Prozess in Wien stattfinden sollen. Doch er erschien nicht. Gegen Seisenbacher wurde ein weltweiter Haftbefehl erlassen. Sieben Monate später wurde  er in Kiew verhaftet, sollte ausgeliefert werden – doch er wurde aus der Haft entlassen.

Warum die ehemalige Sportgröße untergetaucht war? "Er sagt, dass ihn in Österreich kein faires Verfahren erwartet", schilderte ein Kontaktmann dem KURIER.
In der Ukraine soll er ein bescheidenes Leben geführt haben – mit seiner neuen Lebensgefährtin soll er sogar ein Kind haben. "Es gefällt ihm hier sehr gut, aber er ist hier gewissermaßen ein Gefangener, weil er keinen  Pass hat und nicht ausreisen kann", schilderte  der Bekannte weiter.

Strafrechtlich hat die Flucht keine Auswirkung. Nach 48 Stunden wird über die Verhängung der U-Haft über Seisenbacher entschieden. Die dürfte sicher  sein – die Justiz wird das Risiko einer neuerlichen Flucht nicht in Kauf nehmen. Sein Verfahren war nach der Flucht abgebrochen worden, wird jetzt aber wieder nahtlos aufgenommen.

Vom Olympiasieger zum Angeklagten

Peter Seisenbacher schrieb österreichische Sportgeschichte: Am 9. August 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger und verteidigte seinen Titel vier Jahre später. 1980 hatte er bei den Heim-Europameisterschaften in Wien mit Silber seine erste Medaille erobert. Im Herbst 2013 wurde der einstige Sportstar aber zum Tatverdächtigen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gegen ihn. Seisenbacher soll sich in seinem Wiener Judo-Verein zwischen 1997 und 2004 an zwei damals noch unmündigen Mädchen vergangen haben. Eine weitere Jugendliche wehrte ihn laut Anklage ab, als er zudringlich wurde - die Staatsanwaltschaft hatte dieses Faktum als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt.

Drei Jahre nach Beginn der Ermittlungen entzog sich Seisenbacher seiner Verhandlung im Wiener Straflandesgericht. Nachdem er am 19. Dezember 2016 unentschuldigt fehlte, wurde er mit Europäischem Haftbefehl gesucht und nach längeren Ermittlungen in Kiew am 1. August 2017 festgenommen.

Nachdem die ukrainischen Behörden eine Auslieferung abgelehnt hatten, weil das Delikt laut ukrainischem Recht verjährt war, wurde Seisenbacher auf freien Fuß gesetzt. Nach Ratifizierung eines Zusatzprotokolls des europäischen Auslieferungsübereinkommens durch die Ukraine im Frühjahr 2019 hätte er nun doch ausgeliefert werden können. Daher rührte wohl der erneute Fluchtversuch.

Seisenbacher hatte seinen Olympia-Titel am 29. September 1988 in Seoul erfolgreich verteidigt und damit seine Laufbahn gekrönt. Nur einen Monat nach der zweiten Olympia-Goldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden.

Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher, um sein Amt zu behalten, beim damaligen Sportminister Harald Ettl (SPÖ) entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er beim Turnier in Leonding einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst.

Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er nach Differenzen seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern als Sporthilfe-Generalsekretär ab.

Seisenbacher blieb dem Judosport, mit dem er im Alter von sechs Jahren begonnen hatte, aber stets verbunden, vor allem als Trainer, zuletzt als Chefcoach von Georgien (2010 bis 2012) und Aserbaidschan (2012 bis 2013). Im September 2015 wurde er erneut zum Judo-Nationaltrainer in Aserbaidschan bestellt. Der Wiener betreute das Team auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, wo es zwei Silbermedaillen für Aserbaidschan gab.

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