Spionageskandal: Die fragwürdige Enthaftung des Egisto Ott
Die Nachricht war die Überraschung des Tages. Mittwoch um die Mittagszeit wurde bekannt, dass Egisto Ott, jener Mann, dem intensive Spionagetätigkeiten gegen Österreich im Auftrag Russlands vorgeworfen werden, wieder auf freiem Fuß ist.
Der Anwalt des einstigen Verfassungsschützers, Jürgen Mertens, hatte einen Enthaftungsantrag eingebracht – das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab diesem statt.
Was in der ersten Sekunde nach einer Sensation klang, war in der zweiten vor allem eines: bedenklich. Warum, lesen Sie im Folgenden.
Denn die Richter des OLG hatten festgehalten, dass Ott, der bereits im Jahr 2021 einmal in U-Haft war, seither keine weiteren mutmaßlichen Straftaten verübt habe. Somit liege keine Tatbegehungsgefahr vor, die die U-Haft rechtfertigen würde.
Doch bei genauerer Betrachtung gibt es vor allem zwei Ermittlungsergebnisse, die dieser Darstellung widersprechen.
Die SINA-Laptops
Drei jener Laptops, die für streng geheime Kommunikation zwischen Geheimdiensten und Behörden gedacht sind, befanden sich bei Ott – das gab dieser auch bei seiner Einvernahme zu. Einer war sogar in einer Sockelleiste des E-Herdes in der Küche versteckt.
Besonders brisant: Im Jahr 2022 – also eben nach der ersten U-Haft von Ott – soll einer dieser sensiblen Laptops an Russen übergeben worden sein. Das soll in einer Wohnung in Wien-Floridsdorf geschehen sein.
Geheimlaptop unter Weihnachtspackerl
Im Gegenzug sollen 20.000 Euro an Ott ausgezahlt worden sein. Laut Ermittlungen verschifften die Russen den Laptop dann getarnt unter Weihnachtsgeschenken bis zur Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau. Im Hintergrund soll der international gesuchte Wirecard-Manager Jan Marsalek die Fäden gezogen haben.
Geheimer Laptop zu wenig geheim?
Was sich auf dem Laptop befand, ist bis heute nicht klar. Laut KURIER-Informationen geht das OLG aber davon aus, dass es sich um einen Laptop mit niedrigster Schutzklasse gehandelt hat. Dieser könne theoretisch auch von Privatpersonen erworben werden. Die Weitergabe eines derartigen Laptops ist allerdings vertraglich verboten. Denn alleine die Möglichkeit, dass fremde Geheimdienste derartige Geräte in die Finger bekommen und analysieren, stellt ein Sicherheitsrisiko dar.
Innenministerium-Handys
Bei einem Kanuausflug des Innenministeriums im Jahr 2017 fielen mehrere Beteiligte samt ihren Handys ins Wasser. Darunter der damalige Sektionschef Michael Kloibmüller und der nunmehrige Bundespolizeidirektor Michael Takacs.
Die Handys wurden von Takacs an einen IT-Techniker im BVT übergeben. Er sollte die Daten retten, gab vor, das nicht zu können und die Handys zu vernichten. Doch stattdessen übergab er sie offenbar an Egisto Ott. Der jedenfalls dürfte sie fünf Jahre lang in seinem Besitz gehabt haben. Bis die Handys am 10. Juni 2022 – wiederum deutlich nach der U-Haft im Jahr 2021 – mittels Spion von Floridsdorf über Istanbul zum russischen FSB gebracht wurden.
Keinen Staatsgeheimnisse
Ob sich Daten retten ließen, ist bis heute unklar. Das dürfte beim OLG-Beschluss aber ohnehin keine Rolle spielen. Denn die Richter gehen laut KURIER-Informationen davon aus, dass sich keine geheimen Daten oder Staatsgeheimnissen auf den Handys befunden hätten. Lediglich persönliche Daten sollen laut Angaben der Spitzenbeamten auf den Telefonen zu finden gewesen sein. Daher hätte Ott keine Staatsgeheimnisse preisgeben können.
Spionageskandal
Es könnte der größte Spionageskandal Österreichs sein. Im Zentrum: Egisto Ott, sein ehemaliger Abteilungsleiter im BVT Martin Weiss und Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek
2017
scheiden Ott und Weiss aus dem BVT aus. Ott wegen möglicher Russlandspionage. Er wird in die Sicherheitsakademie versetzt
2018
taucht ein Konvolut auf, dass das BVT und Mitarbeiter schwer belastet. Ott soll dahinter stecken
2020
taucht Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek nach einem der größten Wirtschaftsskandale ab. Weiss soll ihm dabei helfen, Ott für ihn und Russland weiter spionieren
2021
wird Ott in U-Haft genommen. Wenig später ist er auf freiem Fuß. Er wird als Polizist suspendiert
2023
Neuerliche U-Haft für Ott, die er nach drei Monaten verlässt
Ermittler fassungslos
Bei den Ermittlern herrscht nach der Entscheidung des OLG Fassungslosigkeit. „Bei allem, was in dem Fall auf dem Tisch liegt, ist die Entscheidung nur schwer nachvollziehbar“, ist zu hören. Und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) meinte: „Ich habe relativ wenig Verständnis dafür, wenn dem so sein sollte. Herrin des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft, die Justiz.“
Gegen Ott werden bereits seit 2017 massive Vorwürfe erhoben – damals musste er aus dem BVT wegen möglicher Russland-Spionage ausscheiden. Seither ist er suspendiert. Unter anderem soll er Daten von Regimekritikern abgefragt und weitergegeben haben. Darunter auch der prominente Investigativjournalist Christo Grozev, der sich unter strenger Bewachung in Wien aufhält.
Zudem dürfte er streng geheime Dokumente an seine Privatmailadresse geschickt haben. Zudem soll er drei Kollegen angeschwärzt haben, denen er unterstellt haben soll, an der Erstellung des Ibiza-Videos beteiligt gewesen zu sein.
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