Orientierungslosigkeit, fehlende Tourenplanung und obendrein keinerlei Erfahrung, was Bergtouren anbelangt. Das sind für die Bergrettung zusammengefasst die triftigsten Gründe, weshalb die Zahl verirrter Wanderer aktuell rasant zunimmt.
Bedingt durch zwei Jahre Pandemie ist das Bergsteigen und Wandern auch in jenen Kreisen zur Modeerscheinung geworden, die davor ein Gipfelkreuz vielleicht nur als Foto von Instagram kannten. „Es zieht immer mehr unerfahrene Menschen in die Berge. Besonders stark merkt man das in der Nähe von Ballungszentren“, heißt es vonseiten der Bergrettung NÖ/Wien.
Aus der Halbjahresstatistik der 1.313 Mitglieder zählenden Landesorganisation ist ein Trend deutlich erkennbar. Der Anteil jener Ausflügler und Wanderer, die unverletzt aus Bergnot gerettet werden mussten, ist gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 um neun Prozent gestiegen. Die Anzahl der verirrten Personen sogar um 38 Prozent.
„Menschen ohne Verletzung, die Hilfe von der Bergrettung benötigen, werden in den vergangenen Jahren immer mehr und stellen uns vor große Herausforderungen in unserer ehrenamtlichen Arbeit. Fehlende Tourenplanung und eine falsche Selbsteinschätzung sind die wesentlichen Treiber“, erklärt dazu Landesleiter Matthias Cernusca.
455 Einsätze bei denen 494 Personen gerettet werden mussten, bedeuten insgesamt zwar einen leichten Rückgang, der Aufwand ist jedoch gestiegen. Bereits zehn Prozent der Alarmierungen finden nämlich nachts statt. „Solche Einsätze im unwegsamen Gelände, die tagsüber häufig in Zusammenarbeit mit einem Rettungshubschrauber übernommen werden können, müssen in der Nacht durch Bergretter alleine gestemmt werden“, sagt Cernusca.
Mehr Kräfte gebunden
Dadurch sind mehr Kräfte nötig, als bei Tageseinsätzen und außerdem wird durch die eingeschränkte Sicht die Gefahrenbeurteilung des Geländes schwieriger, meint der Landesleiter. Einmal mehr betonen die Einsatzkräfte, wie wichtig die entsprechende Tourenvorbereitung ist. 322 Einsätze waren heuer auf schwere Stürze zurückzuführen, 24 auf Abstürze im felsigen Gelände und 26 auf medizinische Notfälle. Besonders tragisch ist der heurige Negativ-Rekord von bereits 14 Todesopfern bis Juni.
Darunter sind auch jene drei erfahrenen Mitglieder der Bergrettung, die im März am Ötscher unter eine Lawine gerieten. 26-mal wurden alleine in NÖ die Einsatzkräfte gerufen, weil sich jemand verirrt hatte. Der jüngste derartige Fall ereignete sich am Dienstag im Dachsteinmassiv im Bezirk Gmunden (OÖ) und war Anlass für eine groß angelegte Rettungsaktion.
Ein deutsches Paar (34 und 28 Jahre alt), das seine Flitterwochen in den Bergen verbrachte, folgte am Dienstag der Karte von der Bergstation der Dachsteinsüdwand zur Steiner Scharte auf den Gosau Gletscher. Im Bereich der Windlucke kamen die beiden allerdings vom Weg ab, verirrten sich und wagten es nicht mehr weiterzugehen.
Wegen einer aufziehenden Nebelbank konnte der Polizeihubschrauber nicht direkt zu dem Paar fliegen. Zwei Bergretter wurden daher abgesetzt und die Urlauber am Seil aus dem Nebel gebracht.
Hund zog an der Leine
Dass er seinen Hund am Körper angeleint hatte, wurde einem 59-jährigen Tschechen in Bad Gastein (Pongau) zum Verhängnis. Der Alpinist stieg mit seinem Hund vom Niedersachsenhaus (2.471 Meter) Richtung Bockhartseescharte ab. Als das Tier eine plötzliche Bewegung machte, brachte das den Mann aus dem Gleichgewicht. Er stürzte 100 Meter durch steiles Gelände ab und musste vom Hubschrauber geborgen werden. Der Hund blieb beinahe unverletzt.
Kommentare