Anwar R. wurde in Koblenz (Deutschland) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Vorjahr zu lebenslanger Haft verurteilt. Khaled A. lebt hingegen bislang unbehelligt in Österreich, in einer Befragung vor rund zwei Jahren bestritt er alle Vorwürfe. Seit acht Jahren wird gegen den General ermittelt, aktuell dem Vernehmen nach nur mehr wegen Körperverletzung. Dabei leben sogar zwei Opfer beziehungsweise Zeugen in Österreich und ein prominenter Top-Diplomat macht im Hintergrund Druck in dieser Causa.
Während Schweden Sonder-Staatsanwaltschaften gegründet und Deutschland eigene Abteilungen im Bundeskriminalamt gebildet hat, scheint Österreich bei den Ermittlungen keine Eile zu haben. Zwar gibt es hierzulande so viele Ermittlungsverfahren, dass Justizministerin Alma Zadic in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung der Neos schreibt, dass diese aufgrund des hohen Aufwands gar nicht mehr gezählt werden können - doch Verurteilung gab es in den zwölf Jahren Krieg hierzulande lediglich eine. Im Landesgericht Feldkirch wurde eine teilbedingte Haftstrafe wegen Völkermordes verhängt.
Allerdings gibt es in Österreich weder eine Spezialeinheit, noch eine bestimmte Staatsanwaltschaft für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Verschärft wird dies durch einen Erlass des Justizministeriums im Juli 2022, der auch den Umgang mit Kriegsverbrechen im Ukrainekonflikt regeln soll. Demnach müssen österreichische Interessen betroffen sein, um einen Kriegsverbrecher zu verurteilen. Dafür muss jeder Einzelfall geprüft werden.
Österreichische Interessen zählen
In einem Fall etwa wurden Ermittlungen gegen zahlreiche Verdächtige eingestellt, weil nur ein Beteiligter einen österreichischen Staatsbürger in dem syrischen Gefängnis gefoltert hat. "Zu jenen Personen, die nicht in die Tathandlungen gegen das die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Opfer involviert waren, lag keine inländische Zuständigkeit vor, sodass den österreichischen Strafverfolgungsbehörden ein Tätigwerden nicht möglich war", heißt es in dem Parlamentsdokument. Fazit: Die Folterung von Syrern interessierte die Justiz nicht.
Die schwedische Staatsanwaltschaft hätte sogar Interesse daran gehabt, das Verfahren gegen den syrischen General Khaled A. zu übernehmen, doch vorerst liegt der Akt bei der Wiener Staatsanwaltschaft. Wobei man im Justizministerium betont, dass es hier keinerlei Weisung gab. Noch kein einziges Verfahren wird aktuell zu Vorfällen im Ukrainekrieg geführt. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper kritisiert in diesem Zusammenhang das Fehlen einer entsprechenden Upload-Plattform für Beweismaterial, das vor Monaten angekündigt worden ist. Die Flüchtlinge seien zu einem großen Teil auch nicht informiert.
Krisper: "Opfer oder Zeugen von Kriegsverbrechen müssen zügig befragt werden und sie müssen rasch Hilfe erfahren. Das ist allgemein bekannt, das hat die österreichische Bundesregierung zu Kriegsbeginn, mit dem Einsetzen der Fluchtbewegung aus der Ukraine, auch versprochen. Nun dauert der grausame Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine schon fast 2 Jahre, fast 70.000 ukrainische Frauen sind seither nach Österreich geflohen - und bis heute ist kein Ermittlungsverfahren eröffnet, kein einziges! Das ist vollkommen unverantwortlich von dieser Bundesregierung, insbesondere von Justizministerin Zadic, die weder die von uns geforderte Stelle zur Strafverfolgung von Völkerstraftaten eingerichtet, noch ausreichend kompetente Ressourcen geschaffen hat.“
In Deutschland kennt man jedenfalls solche Einschränkungen wie in Österreich nicht: „Kein Kriegsverbrecher darf sich irgendwo auf der Welt sicher und ungesühnt fühlen – schon gar nicht in Deutschland oder sonst in der EU“, wird Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf der hauseigenen Homepage zitiert.
Auch in Schweden sieht man eine „universelle Gerichtsbarkeit“. Vor zwei Jahren wurde ein Iraner zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er 1988 als Mitglied der Revolutionsgarden Gefängnisinsassen ermordet hat. Zwischen Festnahme und Urteil vergingen nur rund zwei Jahre.
Kommentare