Diplomatie in Österreich: Mit "scharf" gegen die Türkei
„Türkische Spionage hat in Österreich keinen Platz“, polterte Innenminister Karl Nehammer Anfang September – und präsentierte die Ausforschung einer türkischen Spionin. Danach liefen Aktionen des Finanzministeriums gegen Kebab-Standln und islamische Vereine. Am Montagnachmittag wurde ein Vertreter der türkischen Botschaft in das Außenministerium von Alexander Schallenberg eingeladen, um diesen auf die „österreichische Rechtslage“ aufmerksam zu machen.
Mittlerweile sind drei (ÖVP-geführte) Ministerien und über das Kultusamt auch das Bundeskanzleramt in Maßnahmen gegen türkische Organisationen involviert. „Oftmals wurden die großzügigen rechtlichen Möglichkeiten, die Vereinen in Österreich zur Verfügung stehen von der türkisch-islamischen Community schamlos ausgenutzt. Steuerpflicht ist jedoch keine Frage der Herkunft, der österreichische Steuerzahler darf nicht der Dumme sein“, sagt Finanzminister Gernot Blümel zu den Prüfungen.
Sowohl die islamische Föderation (IFW) als auch die türkisch-islamische Union (ATIB) sehen sich in den Wiener Wahlkampf hineingezogen. „Wir wollen faire Verfahren und bis die Verfahren nicht abgeschlossen sind, ist jede Vorverurteilung abzulehnen“, sagt IFW-Vorsitzender Mehmet Arslan. Auch bei ATIB wird betont, dass noch nicht einmal Bescheide vorliegen. Beide sprechen von einer Vorverurteilung. Hakan Gördü von der Migrantenliste SÖZ sieht wegen der Razzien gegen Moscheevereine und Kebabstände einen Amtsmissbrauch Blümels.
Fest steht, dass die Aktionen weniger aktuell sind als sie auf den ersten Blick erscheinen. Die türkische Spionin etwa wurde schon im vergangenen Jahr (in Oberösterreich) ausgeforscht, also nicht infolge der Demonstrationen. Auch die Prüfung der türkisch-islamischen Vereine startete bereits Anfang 2019 – damals noch unter blau-türkiser Regierung.
„Die ÖVP lässt momentan keine Gelegenheit aus, gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu wettern – nur um ein paar Kreuzerln von noch unschlüssigen FPÖ-Wählern einzuheimsen“, kritisierten zuletzt die Neos. Das Finanzministerium kontert, dass vom Obstbauern bis zum Glücksspiel alles kontrolliert wird, nun eben die Kebab-Standln. Das sei schließlich Aufgabe der Finanz.
Dass es bei den Kebab-Standln tatsächlich Missstände gibt, hat jedenfalls das Ergebnis der Kontrolle gezeigt: Bei mehr als 90 Prozent von 76 kontrollierten Ständen gab es laut Angaben der Finanz Rechtsbrüche. Allein 27 Verstöße gegen die Registrierkassenpflicht und 22 gegen die Pflicht zur Meldung bei der Sozialversicherung wurden gezählt. Das lässt jedenfalls den Schluss zu, dass es durchaus Probleme gibt und die Kontrollen nicht die falschen getroffen haben. Dass es bei den heimischen Würstelständen auch so zugeht (also ein Drittel keine Registrierkasse hat), darf bezweifelt werden.
Als Beigeschmack bleibt aber vielleicht, dass diese Aktion nur in Wien stattgefunden hat. Warum wurden nicht auch niederösterreichische Kebabverkäufer geprüft?
Strukturen zerschlagen?
Natürlich sind die Türken gerade in Wahlkampfzeiten ein idealer Reibebaum, allerdings liegt auf der Hand, dass sich für den Staat mitunter undurchsichtige Strukturen gebildet haben. Dass, wie der KURIER aufgedeckt hat, die türkischen Vereine in Österreich offenbar Geld für eine türkische religiöse Stiftung einnehmen und steuerschonend Reisebüros und Restaurants betreiben, ist ein Missstand. So etwas gehört jedenfalls abgedreht.
Damit bleibt unter dem Strich übrig, dass Probleme in diesem Bereich durchaus aufgedeckt worden sind. Zu leugnen ist aber wohl auch nicht, dass diese in Wahlkampfzeiten gerne etwas größer dargestellt werden. Wer die überzeugenderen Argumente hat, wird man am Wahl-Sonntag sehen.
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