Cityjets statt Railjets
Die ÖBB sprechen hingegen von aktuell sechs nicht einsatzbereiten Zügen, zur Zahl der mindertauglichen Züge mit kleineren Defekten wollte man sich auf Anfrage allerdings nicht näher äußern. Da man auf der Südstrecke – im Gegensatz zur Westbahn – keine Konkurrenz hat und aufgrund der Streckenbegebenheiten ohnehin nicht so schnell fahren kann, werden die fehlenden Railjets vor allem dort durch Cityjets und noch ältere Schnellbahnen ersetzt.
Die Folge davon ist, dass im untergeordneten Bereich die Züge ausfallen oder Richtung Süden Wagenmaterial eingesetzt wird, das überhaupt nicht auslandstauglich ist. Deshalb müssen Bahnkunden auf dem Weg nach Italien derzeit meist umsteigen, mitunter sogar zweimal. Und Pendler berichten von permanenten Ausfällen ihrer Verbindungen nach Wien.
Inzwischen versuchen die ÖBB alles, um das fehlende Material irgendwie aufzutreiben. Zuletzt wurden sogar 15 Jahre alte Loks aus Konkursmassen aufgekauft, selbst der Ankauf von noch nicht einmal zur Zertifizierung angemeldeten chinesischen Zügen wird derzeit überlegt. Beides wäre vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen. Die rund fünfzig Jahre alten 4020er-Schnellbahnen sind ebenfalls noch immer im Einsatz und warten seit vielen Jahren auf ihre endgültige Ausmusterung.
Warten auf Railjet 2
Rund fünf Milliarden Euro will die Bahn in den nächsten Jahren in neue Loks und Züge investieren, doch so einfach ist das alles nicht. So sollten zum Fahrplanwechsel Anfang Dezember eigentlich acht hochmoderne Railjets der zweiten Generation zur Verfügung stehen, doch statt im Sommer erhielten sie erst im November eine Zulassung und werden nun frühestens im April eingesetzt.
Bernhard Rieder, Sprecher der ÖBB, versucht dennoch zu kalmieren: „Auf der Weststrecke ist der Railjet-Verkehr planmäßig. Wir gehen davon aus, dass wir nach den Feiertagen den Railjet-Verkehr auch auf der Südstrecke wieder planmäßig anbieten können.“ Angeblich seien ohnehin nur fünf der roten Flitzer defekt, ein weiterer in der Wartung. Mehr will man dazu nicht sagen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Anschaffungsprogramm, Transparenz scheint nicht die Stärke der ÖBB zu sein. So überlässt man es Insidern und Experten, in diversen Internet-Foren die Ursachen zu enthüllen. So dürfte der Rückstau etwa damit zu tun haben, dass wegen Corona Werkstättenpersonal in großem Stil in Kurzarbeit geschickt wurde. Auch von eigenartigem Zeit-Management bei den Reparaturen ist zu lesen. Oft müssen defekte Waggons wochenlang im Vollbetrieb mitgeschleppt werden, bis es einen Reparaturtermin gibt.
Mitunter zahlen die ÖBB aber nun sicherlich auch die Rechnung für die seinerzeitige Entscheidung für den Siemens-Hochgeschwindigkeitszug. Eigentlich wollte man im großen Stil, auch für die Nachbarländer, einkaufen. Am Ende hatte die Bahn zu viele Railjets und musste diese auf der Südstrecke einsetzen. Schon damals wurde befürchtet, dass die engen Kurvenradien sich auf den Materialverschleiß auswirken können. Denn konzipiert wurde der Railjet, um mit 230 km/h geradeaus zu fahren – und nicht, um mit 80 km/h etwa über die alte Semmering-Strecke zu tuckern.
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