Nudeln, H-Milch und Nagellack: Hamsterkauf in Zeiten von Corona
Beim Spar im Einkaufszentrum Wien-Mitte ist Freitagmittag das Pesto ausverkauft. Und zwar jegliches: Pesto Bolognese. Pesto Pomodoro-Ricotta. Pesto Genovese sowieso. Knoblauch-Sugo war aus, Bio-Tomaten-Sugo, Pecorino-Sugo ebenso.
Irgendwo weit hinten im Regal hat eine Frau noch das letzte Glas Tomatenpesto gefunden - und in ihren Einkaufskorb gelegt.
Im Regal gegenüber ein ähnliches Bild: Nur noch die Bio-Nudeln sind da. Sämtliche Sorten von Barilla: leergekauft.
„So etwas hab ich überhaupt noch nie gesehen. Was haben die Leute da wieder hingestellt?“, sagt eine Mitarbeiterin. Sie kommt mit dem Nach- und Umschlichten der Regale gar nicht nach. Dort, wo die Konservendosen stehen, hat jemand zwei Packerl Biskotten gelegt. „Biskotten gibt's jedenfalls noch genug“, sagt sie und legt sie dorthin, wo sie hingehören.
Das Coronavirus und die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung haben am Freitagvormittag in Supermärkten ein Bild hinterlassen, das viele Österreicherinnen und Österreicher so noch nicht gesehen haben. Leere Regale. Leere Kisten. Zerdrückte Kartons.
Warum waren sie hamstern?
Und außerdem: Volle Einkaufswägen. Die Menschen schieben sie und sich durch die Menschenmengen. Viele von ihnen telefonieren (nach Hause), manche hektisch, manche entnervt.
Ein Mann, der Einkaufswagen voll mit veganen Fertigprodukten, will wissen, ob er drei Packungen vom veganen Sojageschnetzelten nehmen soll – oder nur zwei (zwei reichen).
„Die Leute sind ein bisserl verrückt geworden“, sagt eine ältere Frau, die in ihrem Einkaufswagen lediglich ein Packerl Fleckerl hat. „Ich will heute einfach Krautfleckerl machen“, sagt sie. Das Packerl Fleckerl sei das vorletzte im Regal gewesen. Mit den Hamsterkäufern hat sie nicht gerechnet.
Seit die Bundesregierung Donnerstagabend die Schließung von Geschäften in Aussicht gestellt hat, hat sich bei vielen Menschen Verunsicherung breit gemacht. Schon Freitagfrüh, also noch bevor die Regierung die neuen Maßnahmen tatsächlich präsentiert hatte, stehen viele Schlange – in den Supermärkten, manchmal auch davor.
Eine Merkur-Filiale in Wien-Simmering etwa wird kurzfristig gesperrt, im angrenzenden Favoriten gibt es Blockabfertigung: Kunden werden erst dann eingelassen, wenn exakt gleich viele den Supermarkt verlassen haben.
Die Stimmung in den Märkten pendelt zwischen kollektiver Belustigung – weil Toilettenpapier längst ausverkauft ist und sich viele stattdessen mit Küchenrollen begnügen mussten – und leichtem Unwohlsein.
Unwohlsein, weil auch fast das gesamte Gemüse ausverkauft ist. Es gibt keine Erdäpfel, keine Karotten, keine Zwiebeln. Nur noch Restbestände von unbeliebten Gemüsesorten sind da: eine Packung Kohlsprossen und Stangensellerie.
Manchmal wird sogar gestritten. In einer Billa-Filiale in Niederösterreich etwa will eine Mutter Eier kaufen. Ein Mann habe ihr allerdings die letzte Zehner-Packung im Regal weggeschnappt, erzählt später eine Zeugin. Und das, obwohl er schon fünf Packungen in seinem Wagen gehabt habe. Es entsteht ein lautstarker Streit zwischen mehreren Kunden. Die Mutter verliert ihn.
Gedränge gab es am Freitag aber nicht nur vor dem Regal mit Mehl und Zucker. Auch Instant-Gulasch, Kaffeebohnen und Haltbar-Milch waren zwischenzeitlich ausverkauft. In einer Billa-Filiale in Döbling kaufen zwei Männer 30 Packungen H-Milch. Und zwei Flaschen Blutorangensaft. Sonst nichts.
Blockabfertigung am Eingang, 1,5 Stunden an der Kassa
"Harte", aber notwendige Maßnahmen
Dabei stand eine Schließung der Supermärkte gar nie im Raum. Ab Montag werden in Österreich zwar Lokale und Bars nur noch bis 15 Uhr offen halten und Geschäfte geschlossen, aber: Supermärkte, Drogeriemärkte, Banken, Postfilialen und Apotheken bleiben geöffnet. Diese „harten Maßnahmen“ sind laut Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) notwendig, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen – und vor allem ältere Mitmenschen zu schützen.
Übrigens: Am Freitag war nicht nur so manches Lebensmittelregal leer geräumt. In einer DM-Filiale in Wien gab es nur noch Restbestände an Nagellacken. „Den kaufen die Leute, weil sie sagen, dass sie jetzt endlich Zeit haben, sich die Nägel anzustreichen“, erzählt eine Mitarbeiterin.
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