Neuer Cobra-Chef: "Es gibt genug terroristisches Potenzial"
Hannes Gulnbrein wurde vor wenigen Tagen zum neuen Leiter der Antiterroreinheit Cobra bestellt. Mit dem KURIER hat der Generalmajor über die latente Terrorgefahr und die Sorge vor möglichen Anschläge mit biologisch-chemischen Kampfmitteln gesprochen.
KURIER: Mit 63 Jahren sind Sie Leiter der wichtigsten Anti-Terroreinheit Österreichs. Keine Pensionsgedanken?
Hannes Gulnbrein: Nein, ganz im Gegenteil. Es lodert nach wie vor das Feuer in mir. Ich freue mich auf diese Aufgabe. Jetzt schon zu Hause zu sein, das wäre nichts für mich.
Operativer Chef der Cobra. Was kann man sich darunter vorstellen?
Im Innenministerium gibt es die Direktion für Spezialeinheiten mit Direktor Bernhard Treibenreif. Sie besteht aus drei Abteilungen. Eine davon ist das Einsatzkommando Cobra, die operative Antiterroreinheit. Wir machen alles im Zusammenhang mit terroristischen Bedrohungslagen, Organisierter Kriminalität, Geisellagen, Flugzeug-Entführungen oder Fälle von schwerer Gewaltkriminalität.
Der Innenminister hat angekündigt in den Bundesländern eine mobile Eingreiftruppe zu installieren. Ist das ein gutes Konzept?
Das werden Einheiten der Landespolizeidirektionen, die das Einsatzsegment zwischen der normalen Polizeistreife und der Cobra abdecken. Sie bekommen eine bessere Ausbildung und Sonderausrüstung und sollen insbesondere mittlere Gefährdungslagen abdecken. Ähnlich dem Modell der WEGA in Wien. Wir begrüßen das und sind auch an der Ausbildung dieser Kräfte beteiligt.
In Wien hat genau so eine WEGA-Streife am 2. November den Terroristen ausgeschaltet. Ist der Einsatz als Erfolg zu werten?
Der Täter wurde bereits nach neun Minuten ausgeschaltet, das kann man sehr wohl als Erfolg werten. Wir haben viele Rückmeldungen internationaler Spezialeinheiten erhalten, die Österreich dazu beglückwünscht haben. Man muss bedenken, dass bei solchen Amoklagen der Täter immer einen Schritt voraus ist und die Richtung vorgibt. Bis zum Lokalisieren, ihn nicht entkommen zu lassen und schließlich zu neutralisieren, dafür sind neun Minuten eine sensationelle Zeit.
Was sind die Lehren aus dem Anschlag?
Eine ist, dass mobile Streifen ständig unterwegs sind. Diese geplanten Interventionsteams sind ein Ausfluss aus den Erkenntnissen. Es geht darum, auch in anderen Landeshauptstädten oder Ballungszentren mit gut ausgebildeten Kräften rasch reagieren zu können. Der Terror beschränkt sich nicht nur auf Wien. Das Wichtigste ist die Zeit. Das Handeln des Täters so schnell wie möglich zu unterbinden, geht nur durch Kräfte, die vor Ort unterwegs sind.
Wofür gibt es dann die Cobra?
Wir sind eine „Stand-by“-Einheit, das heißt nicht permanent mobil unterwegs. Trotz rascher Reaktionszeiten werden wir eine gewisse Zeit für das Eintreffen am Einsatzort brauchen. Wenn der Täter lokalisiert oder weiter flüchtig und noch nicht ausgeschaltet ist, dann übernimmt das Einsatzkommando Cobra die Sache.
Nach dem Anschlag gab es viele Festnahmen. Ist die Terrorgefahr damit für Österreich gebannt?
Nein. Das BVT geht immer noch von einer abstrakten konkreten Gefährdung aus. Die vielen Hausdurchsuchungen und Festnahmen nach dem Anschlag zeigen schon, dass es sehr wohl genug terroristisches Potenzial gibt, um jederzeit wieder so einen Anschlag zu verüben. Deshalb sind wir auch seit November mit Teams ständig in den Landeshauptstädten im Außendienst präsent.
Mit welchen terroristischen Gefahren muss man in Zukunft rechnen?
Der Terrorismus ändert regelmäßig seine Vorgangsweise. Früher war es üblich, das Tätergruppen gemeinsam aufgetreten sind. Aktuell findet man Einzeltäter, die aus keiner Organisation kommen, sondern versuchen, durch einen Anschlag ihre terroristische Ideologie zu verwirklichen.
Mit Schusswaffen und Messern. Muss man sich in Zukunft auch vor anderen Szenarien fürchten?
Schusswaffen oder Messer sind oft im Spiel, auch Fahrzeuge werden als Tatmittel verwendet. Was uns aber große Sorge bereitet ist, wenn Anschläge mit biologisch-chemischen Kampfstoffen verübt werden sollten. International fokussieren sich die Antiterroreinheiten darauf, wie man diesen Szenarien entgegentreten kann. Auch die Cobra hat sich diesbezüglich bereits mit entsprechender CBRN-Ausrüstung (chemisch (C), biologisch (B) radiologisch (R) und nuklear (N)) ausgestattet. International angepasst wurde die Ausbildung für solche Ernstfälle adaptiert. In Europa ist man vorbereitet, wenn so etwas geschieht.
Terror. Wie ein Fall aus Deutschland gezeigt hat, ist die CBRN-Gefahr in Europa fortgeschritten. Darunter versteht man Anschläge mit chemischen (C), biologischen (B), radiologischen (R) oder nuklearen (N) Kampfmitteln. Im März des Vorjahres ist der 31-jährige Islamist Sief Allah H. in Düsseldorf zu zehn Jahren Haft wegen Terrorismus verurteilt worden. Er hatte in seiner Wohnung in Köln mit dem Gift Rizin eine biologische Bombe hergestellt. Es wäre der erste Terroranschlag mit einer sogenannten ABC-Waffe in Deutschland gewesen. Doch nach dem Tipp eines ausländischen Geheimdienstes stürmte 2018 eine Sondereinheit seine Wohnung. Sichergestellt wurden unter anderem 84 Milligramm Rizin. Nur ein Bruchteil davon auf der Haut kann für den Menschen bereits tödlich sein.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Cobra im Oktober des Vorjahres mit entsprechender CBRN-Ausrüstung ausgestattet wurde. Selbst mit angelegter Atemschutzmaske ist der uneingeschränkte Gebrauch von Waffen, Funk und Vorsatz-Nachtsichtgeräten möglich. Es erlaubt außerdem den gleichzeitigen Einsatz eines Atemschutzfilters mit Pressluft. Zur ABC-Ausrüstung gehört ein leicht anzulegender Schutzanzug, Detektionsgeräte sowie ein Paket zur Notdekontamination im Fall einer Verseuchung.
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