Nach Corona: Wien erlebt großen Hotelboom
Sie galten als die vielleicht schwierigsten Immobilien von Wien: historische Bausubstanz, strenger Denkmalschutz, hohe Umbaukosten, limitierte Nutzungsmöglichkeiten. Doch nach jeweils rund 20-jähriger Nachdenkpause werden derzeit sowohl das Palais Schwarzenberg als auch das ehemalige Gerichtsgebäude in der Riemergasse zu Luxushotels umgebaut (siehe unten). Beide Projekte sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass Wien mitten in einem Hotelboom steckt.
Auslöser dafür ist unter anderem der nach der Corona-Pandemie wieder auf Rekordkurs befindliche Städtetourismus. Um nur zwei Prozent wurde im vergangenen Jahr der Nächtigungsrekord von 2019 verfehlt. Das sei beachtlich, sagt Norbert Kettner, Direktor von Wien Tourismus. Die Branche sei aber zu „nächtigungsverliebt“, viel wichtiger sei eine andere Zahl: der Umsatz. Und der war 2023 mit 1,24 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor.
Und dieses Hoch scheint anzuhalten. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres wurde ein Plus von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet. Genügend Betten für die nächtigenden Touristen stehen jedenfalls bereit. Laut Wien Tourismus soll es bis Ende 2025 rund 41.300 Zimmer in Wien geben. Im Jahr 2019 waren es noch 34.300 Zimmer. Das ist ein sattes Plus von mehr als 20 Prozent.
Interessant dabei: Die Wurzel für die aktuellen Hoteleröffnungen liegt in der für den Tourismus bisher mit Abstand schlechtesten Zeit, der Pandemie. „Die Jahre 2020 und 2021 waren stark von Immobilieninvestoren getrieben, die einschlafende Hotelprojekte aufgekauft und neu positioniert haben“, sagt Hotel-Immobilienmakler Simon Kronberger. Nun, nach ein paar Jahren Planungs- und Bauphase kommen diese neuen Hotels auf den Markt.
Das zeigt sich an den Zahlen: Seit 2022 steigt die Anzahl der Hotels in Wien wieder an. Ein erneutes Abflachen der Kurve in den kommenden Jahren wird in der Branche allerdings vermutet. „Die Investoren waren 2023 aufgrund der hohen Zinsen eher zurückhaltend. Es wurden weniger Projekte begonnen, was künftig zu weniger Eröffnungen führen könnte“, sagt Kronberger. Eine langfristige Prognose sei sehr schwierig. Bis Ende 2025 wird die Anzahl der Hotels aber weiter steigen – zwei Prozent wird sie dann über dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegen, heißt es beim Wien Tourismus.
47 Prozent Luxus-Hotels
Besonders im Vormarsch sind Hotels im Luxus-Segment. Derzeit sind 47 Prozent der Wiener Betriebe im 4- und 5-Sterne-Bereich angesiedelt. Und das wird vorerst so bleiben: „In der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Leute, die es sich leisten können, weiterhin reisen“, sagt Kronberger. Eine Destination nur für Superreiche wird Wien deshalb aber dennoch nicht. Zum einen, weil die Stadt im europäischen Vergleich noch immer eine recht günstige Destination sei. Zum anderen, weil die Dichte der 5-Sterne-Hotels in Wien lange viel niedriger war als in anderen Städten. „Im Jahr 2013 gab es in Wien nur 19 Fünf-Sterne-Hotels. Vielleicht muss Wien einfach aufholen“, sagt Kronberger.
Neue Projekte und Produkte seien außerdem „wichtig für das „Image der Stadt, wie Alexander Ipp, Vorsitzender der Wiener Hoteliervereinigung festhält. Die Zugkraft Wiens zeige sich auch daran, dass zuletzt internationale Marken neue Häuser eröffnet haben – wie Rosewood, The Hoxton oder The Amauris.
Palais Schwarzenberg
Hotel Das Triest
Doch er zählt auch Schattenseiten auf: Bei manchen neuen Bettenburgen mit gleich 350 bis 450 Zimmern gelte es, „kritisch hinzuschauen“: Vor allem alteingesessene, kleinere Hotels – oft Familienbetriebe – kämen dadurch noch mehr unter Druck, weil sie im boomenden Billigsegment nicht mithalten könnten; und zu viele neue Hotels auf einmal bergen die Gefahr von Überkapazitäten und nachfolgendem Stillstand: „Aber wir brauchen ständig neue Projekte, denn das belebt die Wiener Hotel-Landschaft“, meint Ipp.
Etwas verbessert habe sich indes der Personalmangel in der Hotellerie – nicht aber jener in der Gastronomie: „Und das Sterben traditioneller Lokale bereitet mir Sorgen, weil die Wiener Gastlichkeit zum Tourismus einfach dazugehört.“
Für Tourismusforscher Peter Zellmann sind Investitionen am Tourismusstandort Wien ziemlich risikolos: „Wien zählte immer schon zu den attraktivsten Städten, die man einmal im Leben besucht haben muss – so wie Paris, Rom und London. Und das wird noch lange so sein, der Städtetourismus ist ein bleibender Wirtschaftsfaktor.“ Corona habe den Höhenflug nur unterbrochen, denn auch international halte der Trend zu „drei Tagen Kurzurlaub, die man ergänzend oder statt eines längeren Aufenthalts in der Jahresplanung drin hat“ ungebrochen an.
Die Gäste
Am öftesten wird Wien von deutschen Touristen besucht, gefolgt von Österreichern und US-Amerikanern. Die Besuche aus China und Japan lagen im Vorjahr allerdings noch unter dem Ergebnis vom Vor-Corona-Jahr 2019. Künftig sollen vor allem vermehrt chinesische Luxusreisende angesprochen werden, wie es bei Wien Tourismus heißt
181 Betten
hatten die Wiener Hotels im Jahr 2023 laut Wien Tourismus durchschnittlich. 2015 waren es noch 149 Betten, Ende 2025 werden es sogar 188 Betten pro Betrieb sein
Wien ist nicht Venedig
Und wie groß ist die Gefahr von „Overtourism“ à la Venedig? „Da sind wir noch ganz weit weg“, findet Zellmann. Die „Entzerrung der Touristenströme“ funktioniere zudem gut, da das Gebiet der Inneren Stadt recht weitläufig sei und dann die weiteren Highlights wie Schönbrunn, Prater und Donauturm dazukämen. Von Wien Tourismus angepriesene Extratouren zu Sehenswürdigkeiten an der Peripherie – wie etwa zum Karl-Marx-Hof – brauche es da nicht wirklich: „Vielleicht ist das dann beim zweiten oder dritten Wien-Besuch interessant.“
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