Zu viele Touristen in Wien? "Eine Stadt ist kein Disneyland"

Zu viele Touristen in Wien? "Eine Stadt ist kein Disneyland"
Seit der Pandemie beobachtet man bei Wien Tourismus einen Trend: Die Gäste legen verstärkt Wert darauf, die authentischen Seiten ihres Reiseziels kennenzulernen.

„Was wir aus der Coronakrise gelernt haben? Touristenziele müssen auch einmal Spielverderber sein.“

Das sagt kein Tourismus-Skeptiker – sondern Norbert Kettner, Chef von Wien Tourismus. Nach den Pandemiejahren kommt das Reisen wieder so richtig in Schwung. Auch in Wien freut man sich, dass man fast das Niveau von vor Corona erreicht hat. Bei aller Freude dürfe man aber eines nicht vergessen: nämlich der „Bevölkerung so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen“.

Denn wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen – nicht selten von Menschenmassen in Altstadtgassen, von stundenlangem Schlangestehen und von Wohnhäusern, in denen jedes Apartment an Touristen vermietet wird. Eine Situation, die für Besucher wie für Einheimische unbefriedigend ist. Und damit es in Wien nicht so weit kommt, müsse man eben zuweilen auch ein Spielverderber sein.

Vermietung ist künftig nur noch 90 Tage erlaubt

Etwa, was Airbnb betrifft: Laut einer Novelle der Bauordnung soll diese Form der Vermietung von Apartments an Touristen in Wien künftig nur noch 90 Tage pro Jahr erlaubt sein. „Und das freut uns“, sagt Kettner. „Denn übermäßige Kurzzeitvermietung zerstört den Charakter eines Grätzels.“ Bis Jahresende soll die Neuerung beschlossen werden. „Damit kehren wir zur ursprünglichen Idee von Airbnb zurück: dass man den eigenen Wohnraum Gästen zur Verfügung stellt.“

"Nein" sagen zum Massengeschäft

Ein Spielverderber zu sein bedeute aber auch, zu potenziell lukrativen Massengeschäften „nein“ zu sagen. „Uns hat etwa ein Veranstalter kontaktiert, der Segway-Touren am Zentralfriedhof anbieten wollte“, erzählt Kettner. „Aber am Friedhof muss keiner mit einem Segway herumfahren.“ Man freue sich, wenn Gäste weniger bekannte Ecken wie den Zentralfriedhof oder die Donauinsel erkunden: „Aber sie können sich dort auch bewegen wie die Einheimischen. So erleben sie das Stadtviertel, wie es wirklich ist.“

Leben wie ein Einheimischer

Gerade in den USA sei „live like a local“ („leben wie ein Einheimischer“, Anm.) schon länger ein Trend: also das Reisen abseits der Tourismusfallen. Und darauf möchte man auch in Wien verstärkt setzen: etwa indem man auf besuchenswerte Grätzel außerhalb des Zentrums aufmerksam macht, wie Prater, Spittelberg und Sonnwendviertel. „Das heißt nicht, dass keiner im 1. Bezirk unterwegs ist. Es gibt ja gute Gründe, dort zu sein“, sagt Kettner. Aber es helfe, Touristenströme zu entflechten.

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Und auch das kulturelle Angebot der Stadt möchte man verstärkt bewerben, gerne mit einem Augenzwinkern. Ob Oper, Theater, Architektur, Malerei – viele Besucher zieht es gerade deshalb nach Wien, etwa aus den USA, dem wichtigsten Überseemarkt. „In den USA ist künstliche Intelligenz schon viel länger ein Thema als bei uns“, erklärt Kettner. Daher habe man für eine Werbekampagne Alt mit Neu kombiniert: In Großstädten wie New York, Chicago oder Washington D.C. plakatierte man Gemälde von Klimt oder Schiele – allerdings mit Katzen anstelle von Menschen, entworfen von künstlicher Intelligenz. Die Botschaft: Künstliche Intelligenz kann die Künstler nicht ersetzen – und die Originale gibt es in Wien.

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Zu viele Touristen in Wien? "Eine Stadt ist kein Disneyland"

Klimt mit Katzen: Eine Werbung für Wien in New York.

Kultur, Klasse statt Masse und vor allem Authentizität seien jedenfalls weiterhin wichtige Eckpunkte. „Seit der Pandemie beobachten wir eine Rückbesinnung: Die Menschen wollen das Authentische erleben. Eine Stadt ist schließlich kein Disneyland“, sagt Kettner.

Und davon profitieren letztendlich beide Seiten: Einheimische wie Gäste.

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