Stadtführungen als Zeitreise: Alte Grantscherb'n und biedere Mädchen
War Margarete Maultasch wirklich eine grausame Frau von ausgesuchter Hässlichkeit? Welcher Komponist stand im Ruf, ein „raunzerter Grantscherb’n“ zu sein? Und warum wurden in der Kirche Maria am Gestade einst Pferde untergestellt?
Oft bleibt aus dem Geschichtsunterricht nicht viel in Erinnerung, bloß die Quälerei mit leblos vorgetragenem Jahreszahlenmaterial. Wird Geschichte aber lebendig erzählt, angereichert mit ein paar Anekdoten und Pikanterien, kann sie Spaß machen. Genau das haben sich die Gründer der „Epochenwanderer“ zum Ziel gesetzt: Eine Stadtführung für Touristen wie Einheimische zu schaffen, bei der Schauspieler im ersten Bezirk Szenen aus dem Alltag darstellen, die sich so wirklich abgespielt haben könnten – und dabei Wissenswertes, Heiteres und Gruseliges zu erzählen.
"Zeitreise ohne Zeitmaschine"
Oliver Lukas-Köllner, seines Zeichens Fremdenführer und Schauspieler, hat die Idee mit Regisseur Florian Burr entwickelt: „Wir wollten eine Zeitreise ohne Zeitmaschine bieten“, erzählt Lukas-Köllner. Ein Jahr lang wurde getüftelt und recherchiert, im Mai ging es nun los. „Sisi und Franz Joseph trifft man bei uns aber nicht“, fügt er hinzu, dafür „Menschen aus der einfachen Bevölkerung“.
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Zum Beispiel einen mittelalterlichen Stadtschreiber, der sich vor der Minoritenkirche auf die Grabrede für Margarete von Tirol, besser bekannt als Maultasch, vorbereitet. Dort wurde Margarete 1369 beigesetzt. Verschwörerisch erzählt er, wie Margarete an die Macht, zu zwei nicht ganz glücklichen Ehen und infolgedessen zu ihrem Spitznamen („eine unvorteilhafte Beschreibung für Angehörige des weiblichen Geschlechts“) kam.
"Wenn er nicht im Wirtshaus sitzt ..."
Oder ein Biedermeier-Mädel des 19. Jahrhunderts vor dem Dreimäderlhaus in der Schreyvogelgasse, das auf ihrem Weg zu einem Hausmusikabend ganz unbieder aus dem Nähkästchen plaudert: Ludwig van Beethoven habe in der Nähe gewohnt (er ist übrigens der „raunzerte Grantscherb’n“), nun habe sie auch Franz Schubert kennengelernt („wenn er nicht im Wirtshaus sitzt, schreibt er ganz ordentliche Musik“).
Den geschichtlichen Hintergrund liefert Fremdenführer Lukas-Köllner zwischen den Stationen: „Das Spitzelwesen hatte unter Metternich Hochkonjunktur, da hatten die Wände Ohren. Daher traf man sich zum Plaudern und Politisieren gerne bei Hausmusikabenden.“ Und Beethoven sei häufig umgezogen, mehr als 20 Adressen seien bekannt: „Er ist möglicherweise ein etwas unleidlicher Zeitgenosse gewesen“, fügt er hinzu und lacht.
Der Bürgermeister wurde hingerichtet
Blutiger wird es Am Hof: Dort schrubbt ein Mann den Boden. „Die Überreste der Vierteilung von Bürgermeister Wolfgang Holzer“, erklärt er. Die Politik, auch heute zuweilen heikles Terrain, konnte im 15. Jahrhundert nämlich wortwörtlich den Kopf kosten. Am Hof wurde geköpft und gevierteilt, und das vor aller Augen. „Die Leute haben geschrien und mit faulem Gemüse geworfen“, erzählt der Reiniger. Holzer, dem Hochverrat vorgeworfen wurde, habe um Gnade gefleht. „Aber seine Sehnen an Armen und Beinen wurden durchtrennt und seine Gliedmaßen dann an vier prächtige Hengste angebunden.“
2 x 2 Tickets: Für die „Epochenwanderer“-Tour am Freitag, 30. Juni, verlost der KURIER 2 x 2 Karten. Treffpunkt ist um 19.30 Uhr bei der Minoritenkirche. Teilnahme: Schicken Sie ein eMail an chronik@kurier.at. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Eine Barablöse der Gewinne ist nicht möglich. Die Gewinner werden per eMail verständigt.
Drei Touren pro Woche: Die Touren gibt es jeden Freitag und Samstag auf Deutsch sowie donnerstags auf Englisch. Dauer: 1,5 Stunden, Preis: 39,50 Euro. Info: epochenwanderer.at.
Vor der Kirche Maria am Gestade trifft man einen Straßenkehrer mit Reisigbesen. Joseph II., erzählt er, habe den Einfluss des Klerus zurückdrängen wollen, daher wurde die Kirche entweiht („Unter uns: Ich glaube, er war nicht gläubig“). Ein Glück für Napoleon: „Dem kam die leere Kirche gerade recht. Er hat hier seine Pferde abstellen können – ein nahezu himmlisches Quartier.“
Und in der Blutgasse streiten ein Wäschermädel und ein Fleischhauer, wie die Gasse zu ihrem Namen kam: War es wegen hingerichteter Tempelritter – oder wegen der ansässigen Fleischhauereien?
Das erfahren Sie, wenn Sie mit den Epochenwanderern auf Zeitreise gehen.
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