Das Wiener Becken: Auf den Spuren der Bassena

Das Wiener Becken: Auf den Spuren der Bassena
Bei ihr gab es nicht nur frisches Wasser, hier traf sich auch die Nachbarschaft zum Tratschen. Heute ist die Bassena eine Rarität.

„Sie war so etwas wie eine antike Whatsapp-Gruppe“, sagt Fremdenführerin Elisabeth Wolf und lacht. Gemeint ist: die Bassena. Einst gab es eine in jedem Stockwerk der Wiener Häuser. Dort traf man einander nicht nur zum Wasserholen, sondern auch zum Tratschen.

Vor 30 Jahren wurde der erste Weltwassertag begangen (siehe unten). Anlässlich dieses Jubiläums begab sich der KURIER mit Wolf auf einen Rundgang durch die Innenstadt, um zu erfahren, wie die Versorgung mit frischem Wasser das Leben in der Großstadt veränderte.

10.000 Hausbrunnen

Die herausgeputzten Gässchen des ersten Bezirks lassen nur noch erahnen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier einst wohnten. Man lebte dicht gedrängt und das Wasser war sanitär nicht unbedingt einwandfrei. „Früher gab es 10.000 Hausbrunnen in der Stadt“, beschreibt Wolf. Um das Wasser zu den Hausbewohnern zu bringen, waren Wasserträger unterwegs.

Erste Hochquellwasserleitung

Rund um 1900 zählte Wien mehr als zwei Millionen Einwohner. (Zum Vergleich: Heute sind es 1,9 Millionen.) „Dass im Oktober 1873 die erste Hochquellwasserleitung in Betrieb gegangen ist und sauberes Wasser gebracht hat, war eine Pionierleistung“, erzählt Wolf. „Erst dann verschwanden Probleme wie die Cholera aus der großen Stadt.“ Die zweite Hochquellwasserleitung folgte dann im Jahr 1910.

Einzug der Bassena

Und mit den Hochquellwasserleitungen kam auch die Bassena nach Wien: In den Stiegenhäusern wurden in jedem Stockwerk Becken montiert, bei denen sich die Bewohner mit kaltem Wasser versorgen konnten. Der Name Bassena stammt übrigens vom französischen Wort „bassin“ oder dem italienischen „bacino“ für Becken.

Namen alter Gassen

Wolfs Tour „Zauberhafte Innenhöfe“ führt in versteckte, teils private Innenhöfe und durch die ältesten Gassen Wiens. Und sie erzählt nicht nur Wissenswertes über Wasser. So erfährt man etwa, dass Gassen und Straßen früher keine eigenen Namen hatten. Man sprach einfach „vom Haus mit dem alten Blumenstock“. Daraus wurde die heutige Blumenstockgasse. Auch die Ballgasse hat ihren Namen nicht zufällig: „Hier gab es quasi das erste Fitnesscenter der Stadt“, sagt Wolf. In einem Ballhaus aus Holz wurde hier eine Sportart ähnlich dem heutigen Federball ausgeübt.

Das Wiener Becken: Auf den Spuren der Bassena

Elisabeth Wolf (re.) vor einem Haus in der Ballgasse: Hier gab es einst ein Holzhaus, in dem eine Ballsportart ausgeübt wurde, die unserem heutigen Federball ähnlich war.

Büßerinnen und Bedürftige

Eine weitere Station ist der Mosesbrunnen am Franziskanerplatz, wo sich einst ein Büßerinnenkloster befand: Geläuterte Dirnen konnten hier einen neuen Beruf erlernen. An derselben Stelle steht heute ein Franziskanerkloster. Bedürftige erhalten hier eine warme Suppe – oft genauso wichtig wie ein Glas Wasser.

Das Wiener Becken: Auf den Spuren der Bassena

Der Brunnen am Franziskanerplatz.

Einst waren Brunnen übrigens rein praktische Einrichtungen. „Die Idee, dass sie die Stadt verschönern, kam erst im Barock auf – das ist die Zeit mit den prunkvollen Kleidern und den fetten Engeln“, sagt Wolf und lacht. Damals wollte der Mensch zeigen, dass er über die Natur herrsche – daher die schön gestalteten Gärten und Brunnen.

Heutzutage ist frisches Wasser zur Selbstverständlichkeit geworden. 221 Liter verbrauche ein Wiener im Schnitt pro Tag, sagt Wolf – das meiste für die Klospülung. Und die Bassena? Die dient meist nur noch zur Dekoration – echte sind mittlerweile Raritäten. Denn ab den 1960er-Jahren wurden sie sukzessive abmontiert.

Wen auch das „Innenhofvirus“ packt, wie es Wolf nennt, solle am besten vormittags durch die Singerstraße schlendern. Auf Höhe der Nummer 11 findet sich etwa ein Hof mit einer riesigen Platane, die – zumindest laut Bassenatratsch – schon 250 Jahre alt sein soll. Oder man kann mit Wolf einen Rundgang starten. (Info & Buchung: artissimi.at)

Der Tag des Wassers: Der Weltwassertag findet seit 1993 jährlich am 22. März statt. Der Gedenktag wird jedes Jahr unter ein anderes Motto gestellt (etwa Wasserqualität, Wasser und Energie oder Wasser und Arbeitsplätze). Heuer lautet es: „Gemeinsam schneller zum Ziel“.

Die Wasserversorgung Wiens: 1873 wurde die 1. Hochquellwasserleitung in Wien in Betrieb genommen. Sie bringt Wasser aus dem Rax- und Schneeberggebiet (NÖ und Steiermark) nach Wien. Die zweite ging  1910 in Betrieb, hier kommt Wasser aus dem Hochschwabgebiet (Steiermark) in die Stadt.

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