Nach Corona: "Auf Anwälte kommt eine Lawine zu"

Nach Corona: "Auf Anwälte kommt eine Lawine zu"
Der Rückstau bei Verhandlungen ist schon jetzt enorm. Was etliche Juristen auch finanziell hart trifft.

Die Gerichte sind leer, Verhandlungen finden nur im Ausnahmefall statt. Im Landesgericht für Strafsachen in Wien ist der Rückstau bereits gewaltig: 1.700 Verfahren wären bereits verhandlungsreif. 

Die Justiz fährt im Notbetrieb. Und das spüren auch die Rechtsanwälte. "Wir sind in großer Sorge", sagt Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien. "Wenn wir das System wieder hochfahren, kommt eine Lawine auf uns zu."

Fristen wurden aktuell ausgesetzt, Urteile bleiben aus. "Wir müssen darauf achten, dass der Rückstau nicht zu groß wird", gibt Enzinger zu bedenken. "Es wäre wichtig, dass Richter etwa auch Urteile von daheim aus schreiben."

Nach Corona: "Auf Anwälte kommt eine Lawine zu"

Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien

Besonders hart trifft die aktuelle Situation die Strafverteidiger. "Weil aktuell kaum Hauptverhandlungen stattfinden, wirkt sich das natürlich auch auf den Umsatz aus. Strafverteidiger leben davon, dass sie verhandeln. Ihr Hauptgeschäft findet im Gerichtssaal statt." Große Prozess wie das Buwog-Verfahren könnten in absehbarer Zeit nicht durchgeführt werden. "Selbst nicht mit Mundschutz und Plexiglas."

Harte Zeiten für Immobilienrechtler

Zivilrechtlich sei die finanzielle Situation zwar abgefedert. "Hier wird oft im Quartal oder halbjährlich abgerechnet", so Enzinger. Aber spezialisierte Kanzleien, etwa solche für Immobilienrecht, haben aktuell schlicht keine Aufträge. "Der Immobilienbereich liegt brach. Bauträger können nicht verkaufen. Und so lange die Bevölkerung unsicher ist, ob sie überhaupt einen Kauf finanzieren kann, wirkt sich das massiv aus. 

Im Arbeitsrecht wiederum hätten die Anwälte so viel zu tun wie schon lange nicht. Kündigungen und Kurzarbeit sind auch juristisch heiße Eisen.

Kleine Kanzleien könnten ins Strudeln kommen

Enzinger appelliert, bereits an die Zeit nach Corona zu denken - und die Situation der Anwälte einzubeziehen. Etwa durch Verlängerung von Rechtsmittel-Fristen. "Kleinere Kanzleien haben nicht so viele Kapazitäten. Wenn dann auf einmal drei, vier dicke Akten gleichzeitig hereingaloppieren, ist das ein Problem."

Und er hofft, dass der Betrieb an den Gerichten mit Sommerbeginn nach und nach in den Normalbetrieb kommt. "Normalerweise ist ab Mitte Juli nicht mehr so viel los. Wenn wir die Sommermonate nützen können, hilft das enorm."

Er wird auch mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) die aktuelle Situation besprechen - via Videochat. Und er will nicht nur die wirtschaftliche Situation der Anwälte ansprechen. "Es geht auch um die Einhaltung der Grundrechte. Konkret etwa die Corona-App", sagt Enzinger.

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