Mossad-Skandal: Vier BVT-Topagenten auf der Anklagebank
Es ist wohl einmalig in Österreich, dass eine Geheimoperation mit dem israelischen Geheimdienst Mossad vor Gericht landet. Angeklagt werden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) immerhin Österreichs ehemaliger BVT-Spionagechef Bernhard P., dazu die einstige „Nummer drei“ im Bundesamt für Verfassungsschutz, Martin W., sowie zwei weitere heimische Top-Agenten und ein Beamter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA).
Ihnen wird vorgeworfen, das Asylverfahren über Khaled A., einen mutmaßlichen Foltergeneral der syrischen Staatssicherheit, manipuliert zu haben, um ihn für die Israelis in Österreich zu verstecken.
Allein die halbe damals tätige Polizei- und Justizspitze wird als Zeuge in diesem Prozess aussagen müssen. Dazu zählen etwa der ehemalige Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, Ex-BVT-Chef Peter Gridling und Ex-Justiz-General Christian Pilnacek. Den Angeklagten drohen Strafen von bis zu fünf Jahren Haft.
Operation „Weiße Milch“
Es geht um die sogenannte Operation „White Milk“, die der KURIER 2018 aufgedeckt hat. Im Mittelpunkt steht dabei General Khaled A., der für Folterungen von Regimegegnern im syrischen Rakka mitverantwortlich sein soll.
Laut der 80 Seiten starken Anklageschrift, die dem KURIER vorliegt, wurde der Deal vom ehemaligen BVT-Vize Wolfgang Zöhrer bei einem Israel-Besuch eingefädelt. Dieser soll BVT-Abteilungsleiter Martin W. mit der Kooperation beauftragt haben. Der gab den Auftrag an den damaligen BVT-Nachrichtendienstchef Bernhard P. und dessen Beamten weiter. Diese wiederum trafen sich mehrmals zu Gesprächen mit Mossad-Agenten, „in deren Verlauf der Inhalt der Kooperationsvereinbarung festgelegt wurde“. Die Israelis sagten zu, die Unterhaltskosten für den syrischen General zu übernehmen. Ziel sei die geheimdienstliche Informationsgewinnung bezüglich Syrien gewesen. Zugleich versicherte der Mossad den Österreichern, dass Khaled A. kein Kriegsverbrecher sei.
Mossad bringt General
Die Israelis brachten den General am 13. Juni 2015 per Pkw von Frankreich nach Österreich und zwei Tage später wurde er vom BVT-Chefinspektor Oliver L. in die Erstaufnahmestelle Traiskirchen gebracht, wo der Geheimdienst-General einen Asylantrag stellte. Dort wurde der Syrer befragt und er fütterte – mit Wissen des BVT – den Befrager des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl „mit falschen Angaben“. Auch gab er an, sich persönlich gefährdet zu fühlen, er befürchte eine Liquidierung durch syrische Nachrichtendienste. Da der Syrer bereits in Frankreich um Asyl angesucht hatte, musste man den Akt in Österreich zwei Monate „unbearbeitet liegenlassen“, damit die österreichische Zuständigkeit eintrat.
Am 5. Oktober 2015 erhielt der General seine grüne Asylkarte. Zugleich eröffnete ein BVT-Beamter für ihn ein Bankkonto und man organisierte dem Syrer auch eine Wohnung.
Obwohl die Israelis den Lebensunterhalt des Generals bezahlten, wurde er zur Grundversorgung in Wien angemeldet. Jedenfalls erhielt der syrische General am 2. Dezember 2015 hierzulande Asyl.
Ein Monat später meldete sich eine amerikanische Nichtregierungsorganisation, die sich mit Kriegsverbrechen in Syrien befasst, beim Justizministerium in Wien. Es kam zu einem Treffen, an dem auch die zwei BVT-Spitzenbeamten Bernhard P. und Oliver L. teilnahmen. Die Amerikaner teilten den Österreichern mit, dass sich der syrische General in Wien aufhalte und brachten ihn mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Verbindung.
Der Justiz verschwiegen
Die beiden BVT-Beamten „verschwiegen ihr Wissen gegenüber den Vertretern der Justiz vorsätzlich“, heißt es in der Anklage. „Sie ließen die Tatsache unerwähnt, dass Khaled A. bereits seit Sommer 2015 durch Beamte des BVT betreut wurde.“
Erst am 18. Februar 2016 teilte das BVT dem Justizministerium mit, dass der General hierzulande aufhältig sei. BVT-Abteilungsleiter Martin W. soll dem damaligen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek offenbart haben, dass das BVT dem Syrer auf Ersuchen des Mossad Schutz gewähre, weil er über „Insiderwissen“ verfüge. Am 23. Februar 2016 erhielt Pilnacek den Asylakt des Syrers vom BVT. Das Justizministerium übermittelte den Akt umgehend der Staatsanwaltschaft Wien, wo gegen den syrischen Geheimdienst-General ein Verfahren anhängig ist – wegen des Verdachts der Körperverletzung.
Anwalt will Freispruch
Otto Dietrich, der Strafverteidiger des Ex-BVT-Spionage-Chefs Bernhard P., will das laufende Verfahren nicht kommentieren. Nur so viel: „Die Vorwürfe werden ausdrücklich bestritten, weil sie weder eine Sachverhaltsgrundlage haben noch rechtlich korrekt sind.“
"Mein Mandant ist erleichtert, nunmehr endlich nach über drei Jahren Gewissheit zu haben, dass er seine Sicht der Dinge einem unabhängigen Gericht mitteilen kann, dass auch seine Verantwortung objektiv würdigen wird. Das war leider bislang nicht der Fall. Vielmehr war für ihn von Anfang an der Ermittlungen gegen ihn klar, dass das Ermittlungsverfahren mit einer Anklage enden wird, da die unzähligen, im Akt erliegenden, entlastenden Beweise keine Berücksichtigung bei der Beurteilung, ob ein strafrechtliches Verhalten meines Mandanten vorliegt, gefunden haben", erklärt Klaus Ainedter, Verteidiger des BVT-Sachbearbeiters Oliver L. „Wir sind zuversichtlich, dass auch dieser Prozess mit einem Freispruch endet, auch wenn sich mein Mandant bereits darauf eingestellt hat, dass er bis zur Rechtskraft noch einen sehr langen, einige weitere Jahre umfassenden, emotional belastenden Weg gehen muss.“
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