Polizei will Handys von Flüchtlingen durchsuchen
In den nächsten Tagen will das Innenministerium die Asylzahlen für das vergangene Jahr veröffentlichen. Die Zahlen werden die höchsten seit der großen Flüchtlingswelle 2015/2016 sein.
Mehr als 38.000 Asylanträge sind im Vorjahr gestellt worden. Das entspricht einer Verdreifachung zu den vergangenen Jahren.
Die Polizei will deshalb noch im ersten Halbjahr ein Gesetz aus der Zeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zurückgreifen und die Mobiltelefone von Migranten auswerten. Damit können Fluchtrouten nachvollzogen und die Flüchtlinge leichter in andere Länder abgeschoben werden. Auch Schlepperrouten können damit enttarnt werden.
Rechtliche Probleme
Doch es könnte rechtliche Probleme geben, in Deutschland und Großbritannien wurde dies zuletzt - teilweise sogar von Höchstgerichten - als menschenrechtswidrig bezeichnet.
Bisher darf die österreichische Polizei nur unter strengen Auflagen mit richterlicher Anordnung auf die Handys von Migranten zugreifen. Dabei werden die Geräte in einen Apparat des Bundeskriminalamtes gelegt und dort die Standortdaten ausgelesen. Damit kann ermittelt werden, wo der Asylwerber die Schengengrenze übertreten hat.
Nach dem Dublin Abkommen kann der Betroffene in das entsprechende Land zurückgeschoben werden. Auch Europol empfiehlt dieses Vorgehen. Denn damit können Schlepper enttarnt werden, schließlich würde man so die Orte herausfinden, wo die Menschen auf ihrem Weg nach Österreich auf andere Transportmittel umgeladen werden.
Unter Innenminister Kickl wurde dies der Polizei ohne richterliche Genehmigung ermöglicht, sie darf den Flüchtlingen sogar 850 Euro dafür abnehmen. Angewendet wurde der Paragraf 39a Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl-Verfahrensgesetz (BFA-VG) bisher allerdings nicht.
Komplette Handy-Kopie
Dieses Gesetz erlaubt der Exekutive jedenfalls eine Sicherungskopie des kompletten Handys herzustellen. De facto wird dafür das Handy eingezogen werden müssen, denn entsprechende Analysegeräte sind nicht überall verfügbar.
Gerald Tatzgern, Österreichs oberster Schlepperbekämpfer, erklärt dem KURIER, dass man heuer im Laufe des ersten Halbjahres diese Regelung anwenden wird. "Die Bestimmung wird als ultima ratio gesehen, also letzte Möglichkeit, die Identität oder Reiseroute festzustellen", betont Tatzgern. "Es wird auch nur auf bestimmte Bereiche des Speichers zugegriffen werden."
Doch ob das alles am Ende rechtens ist, dürfte zumindest fraglich sein. In Großbritannien hat die Polizei zigtausende Handys beschlagnahmt. Anfang Februar wurde dies vom High Court als illegal und menschenrechtswidrig eingestuft. Die Exekutive muss die Flüchtlinge nun suchen und ihnen die Telefone zurückgeben. Denn dieses Vorgehen widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention, urteilten die Richter.
Asylwerber lügen selten
Vergangenes Jahr hat ausserdem das Verwaltungsgericht Berlin das Auslesen von Telefonen und Datenträgern als rechtswidrig beurteilt. Allein im Jahr 2020 ist dies laut Recherchen von netzpolitik.org aber in mehr als 6000 Fällen erfolgt, in nur 1,8 Prozent der Fälle sollen die Analysen Widersprüche zu den Angaben der Antragstellenden aufgezeigt haben.
Georg Bürstmayr, Menschenrechtsanwalt und Grüner Abgeordneter, berichtet, dass es in Österreich offenbar bisher noch keine Klagen gegen die Auswertung von Handys nach richterlichem Beschluss gibt.
"Dies kann jedoch auch damit zusammenhängen, dass es für die Betroffenen schon aus rein faktischen Gründen nicht leicht ist, sich gegen entsprechende Maßnahmen zu wehren. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ist nämlich in der Regel kein Rechtsbeistand zur Stelle, der die Betroffenen darüber informiert, dass sie sich mittels Maßnahmenbeschwerde gegen die Abnahme und Auswertung ihrer Mobiltelefone wehren können. Eine Maßnahmenbeschwerde ist zudem immer mit einem Kostenrisiko verbunden", erklärt Bürstmayr.
Der Verfassungsgerichtshof habe aber 2004 entschieden, dass die Beschlagnahme von Dokumenten in Asylverfahren generell nur unter strengen Auflagen und unter Prüfung aller Umstände des Einzelfalls zulässig sei. Die Gesetzesänderung unter Kickl sei aber sehr weit gefasst, betont Bürstmayr.
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