Mehr Radfahrer: Der Abstand fehlt, die Maske stört

Es klingelt, niemand reagiert. Es klingelt nochmals. Die Fußgänger springen verdutzt vom Radweg. In einer langen Schlange schieben sich die Radfahrer auf dem schmalen Weg an ihnen vorbei. Diese Szene steht für viele gefährliche Situationen, wie sie vor allem im Frühling passieren. Schließlich ist jetzt wieder die Zweirad-Zeit angebrochen.
An einigen Zählstellen in Wien schossen die Zahlen der Radler sprunghaft in die Höhe. Am Praterstern waren zum Beispiel an Sonn- und Feiertagen um 41 Prozent mehr Radfahrer unterwegs als im Vorjahr. An Samstagen waren es sogar mehr als doppelt so viele bisher – so die Auskunft des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ).
Auch die Corona-Krise könnte die Lust auf Radausflüge innerhalb der Stadt verstärkt haben, längere Touren in den Bundesländern fielen schließlich weg.
Schwachstellen sichtbar
Der Trend zum Radeln ist aber kein Phänomen der Hauptstadt. Dass momentan noch mehr Interesse besteht, merkt auch Werner Madlencnik, Leiter der Radfahrschule von Easy Drivers. „Das Interesse ist gigantisch“, sagt er dem KURIER. Durch die vielen Radler würden nun aber die Schwachstellen der Verkehrsinfrastruktur noch deutlicher. Sie seien schon lange ein Problem, kritisiert auch der VCÖ.
Radelt man hintereinander, lässt man beim Überholen naturgemäß Platz, so gut es geht. Immer ist das aber nicht möglich. Spätestens an der nächsten Kreuzung wird es eng.
Dieses Problem spricht auch Roland Romano von der österreichischen Radlobby an: „Viele Radwege sind einfach zu schmal. Im Durchschnitt ist ein Fahrrad etwa 70 Zentimeter breit. Die meisten Radwege in Wien sind aber nur zwei Meter breit. Viel Platz für Bewegungsfreiheit bleibt da nicht“.
Aber nicht nur aus Fahrsicherheitsgründen werden die schmalen Radwege zum Verhängnis. Gerade in Zeiten des Coronavirus wäre es noch wichtiger, diesen Spielraum zu haben. Die Ansteckungsgefahr mit einer Maske zu minimieren sei laut Radfahrlehrer Madlencnik fast unmöglich: „Eine Maske beim Radfahren zu tragen ist keine Alternative. Man muss gut Luft bekommen. Nur im Schritttempo in einer Fußgängerzone ginge das“.
Praterstraße wird erster Pop-up-Radweg
Rad-Rowdies
In Wien haben die Grünen das Problem anscheinend erkannt. Zuletzt wurden – von Autofahrern viel kritisierte – Maßnahmen wie der Pop-up-Radweg am Praterstern umgesetzt (siehe auch unten). Im Bund haben die Grünen in der Regierung das Budget für die Radinfrastruktur deutlich erhöht – von 4,4 auf 21,4 Millionen Euro.
Aber auch die besten Radwege helfen nicht, wenn die Radler die Verkehrsregeln missachten. Bei sechs Schwerpunktkontrollen von Radwegen im Vorjahr wurden insgesamt 992 Radler angezeigt, weil sie rote Ampeln missachtet hatten. „Die Zahlen sind im Vergleich mit Kfz-Schwerpunkten exorbitant hoch. Vor allem das Fahren bei Rotlicht und auf dem Gehsteig sind sehr oft zu beobachten“, sagt der Wiener Polizeisprecher Paul Eidenberger. Außerdem müsse häufig fehlende Ausrüstung beanstandet werden.
Dass man gerade als Radfahrer besonders vorsichtig und gut ausgerüstet sein sollte, zeigte die vergangene Woche. Zwei Radfahrer verunglückten tödlich, ein 84-jähriger Mann verletzte sich lebensgefährlich.
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