Seien wir – kurz vor der Romantik-Überdosis des Valentinstags – einmal ehrlich: Die Sache mit der Liebe ist kompliziert. Und die Liebe am Arbeitsplatz, die kann noch viel komplizierter sein.
Trotzdem: Das Büro ist und bleibt einer der häufigsten Orte, an denen Paare sich kennenlernen. Laut einer Studie der Dating-Plattform Parship sollen sich zwischen 14 und 18 Prozent der Österreicher bei der Arbeit verliebt haben. Logisch eigentlich, denn was sind ein paar Stunden am Samstagabend in einer Bar gegen vierzig Stunden in der Woche mit den Kollegen?
„Eine Beziehung am Arbeitsplatz zu führen, ist immer ein Risiko und ein großes Wagnis“, sagt die Psychologin Caroline Erb. Die Frage, ob man sich darauf einlassen soll oder nicht, ist in Österreich, anders als etwa in den USA, aber zumindest keine rechtliche. Hier dürfen Kollegen, ja sogar Vorgesetzte mit ihren Untergebenen, liiert sein. Das heißt allerdings nicht, dass diese Romanzen nicht oft genug ein gerichtliches Nachspiel haben.
Aber es muss ja nicht gleich ein Rechtsstreit sein. Die Liebe am Arbeitsplatz zieht auch so einen Rattenschwanz an praktischen Fragen nach sich, die die Verliebtheitseuphorie ordentlich dämpfen können. Sagt man den Kollegen Bescheid, oder hält man die Beziehung geheim? Wie geht man am Arbeitsplatz miteinander um? Und was tun, im Falle einer Trennung?
Nächtliche Spione
Jeden Tag mit diesen Fragen konfrontiert sind Andreas (35) und seine Partnerin Claudia (52). Beide arbeiten als Angestellte bei einer kleinen Kirchengemeinde am Land. Wo genau, das wollen sie geheim halten, denn auch von ihrer fast siebenjährigen Beziehung weiß bis heute niemand. Zu groß ist die Angst, einer der beiden könnte den Job verlieren. „Vor dem Arbeitsgericht wäre das zwar wahrscheinlich ungültig“, erklärt Andreas. Trotzdem sei das Risiko zu groß. Hinzu kommt der Altersunterschied, der laut dem Paar gesellschaftlich noch nicht akzeptiert sei.
Ihre Liebe zu verbergen, stellt die beiden vor tägliche Herausforderungen – etwa bei der Parkplatzsuche: „Manche Kollegen fahren nämlich in der Nacht durchs Dorf, um nachzusehen, wo welches Auto steht“, berichtet Andreas. Immerhin ihren Familien haben Claudia und Andreas von ihrer Beziehung erzählt. Aber obwohl trotz großer Bemühungen der Kollegen nie jemand hinter das Geheimnis des Paares gekommen ist, leiden beide unter der „guten Freundschaft“, die sie offiziell verbindet. Auch eine Heirat sei ausgeschlossen, sagen sie.
Dass das Geheimhalten einer Beziehung auf längerer Zeit eine große emotionale Belastung sein kann, weiß auch Psychologin Erb. Was nicht heißt, dass die Kollegen immer sofort informiert werden müssen: „Gerade am Anfang entsteht durch das Geheimnis oft ein Prickeln und eine gewisse Komplizenschaft“, sagt Erb. Solange der Beziehungsstatus noch ungeklärt und locker sei, sei es oft besser, das am Arbeitsplatz noch nicht zu kommunizieren.
Das Happy End, das für Andreas und Claudia unerreichbar scheint, gab es für Barbara (35) und Michael (39) vor drei Monaten. Seither sind sie nicht nur Kollegen bei einer NGO mit Sitz in Wien, sondern auch Ehepartner. Er hat sein Büro im 1. Stock, sie im 2.. „Da ich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig bin und er Jurist ist, müssen wir aber zwangsläufig hin und wieder zusammenarbeiten“, erzählt Barbara. Das stört weder die beiden noch ihre Kollegen. „In unserer Organisation ist das kein großes Thema, außerdem sind wir nicht das einzige Pärchen“, erklären sie. Einzige Schwierigkeit: „Dass man oft verleitet ist, auch nach der Arbeit über die Arbeit zu sprechen.“
Umgekehrt könne das Leben als Paar am Arbeitsplatz sogar Vorteile haben, erklären Sabrina (26) und Klaus (29), beide Software-Entwickler in Graz. „Wir können gemeinsam über die Arbeit jammern, weil wir ähnliche Probleme haben. Und wir machen uns keine Vorwürfe, wenn der andere auf Dienstreise geschickt wird.“ Die beiden sind seit knapp einem Jahr zusammen, auf der Weihnachtsfeier haben sie ihre Beziehung öffentlich gemacht. Überrascht war darüber aber kaum jemand mehr.
Schnell alltäglich
Dass sie zuviel Zeit miteinander verbringen, diese Sorge haben Klaus und Sabrina nicht. Gerade in der Kennenlernphase könne das auch von Vorteil sein, sagt Psychologin Erb. Normalerweise sei der Arbeitsplatz ein Ort, an dem jeder autark agiere. Für frisch Verliebte, die auch gemeinsam arbeiten, würde das Kennenlernen daher „ein bisschen zeitversetzt“ ablaufen. „Der Vorteil ist, man weiß besser, worauf man sich einlässt, weil man mehr Möglichkeiten hat, den anderen zu beobachten“, sagt Erb. Der Nachteil: „Man kommt dadurch viel schneller im Alltag an.“
Bleibt die unromantischste aller Fragen: Was tun, im Falle einer Trennung? „Das ist unweigerlich ein Thema“, sagt Erb. Oft hätten Paare hier die besten Vorsätze, „wenn es so weit ist, sieht es dann aber oft ganz anders aus. In der Realität muss im schlimmsten Fall einer von beiden den Job wechseln“, erklärt die Expertin. So negativ wollen es die vom KURIER befragten Paare aber nicht sehen. Andreas und Claudia haben sich trotz ihrer schwierigen Situation über eine Trennung noch nie Gedanken gemacht. Barbara und Michael sehen es hingegen pragmatisch: „Sollte das passieren, werden wir hoffentlich erwachsen genug sein, damit professionell umzugehen“, sagen sie.
„Und eigentlich“, erklärt Erb, „ist für das Funktionieren einer Beziehung letztlich entscheidend, ob die Persönlichkeiten zueinander passen, nicht, ob man zusammenarbeitet oder nicht.“
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