Blind der Spur folgen
Weil Corona-bedingt nur wenig Skigebiete geöffnet haben, sind viele Wintersportler auf den Geschmack des Tourengehens gekommen. Laut dem Landesleiter der Bergrettung NÖ/Wien, Matthias Cernusca, spiegelt sich das auch in den Einsatzzahlen rund um die Ballungszentren Ostösterreichs wieder.
Die Unerfahrenheit birgt große Risiken, wie ein Fall auf der Reisalpe im Bezirk Lilienfeld zeigt. Bei Lawinenwarnstufe 3 (erheblich) hatten zwei Frauen und drei Männer im Alter zwischen 28 und 57 Jahren den besonderen Kick in einem unverspurten Pulverhang gesucht und wurden von den extrem schwierigen Verhältnissen gestoppt. In einer Nacht- und Nebel-Aktion riskierten die Bergretter selbst ihr Leben, um die Gruppe bei minus 10 Grad und Dunkelheit sicher zu bergen. „Die Sportler verfügten über keine Lawinenausrüstung. Da der Hang in gefährlicher, nordseitiger Exposition lag, hatten sie ein Riesenglück“, sagt der Einsatzleiter der Bergrettung, Georg Wurth.
In Tirol bietet sich ein ähnliches Bild. Wie Gerhard Mössmer, Bergsportexperte für Ausbildung und Sicherheit beim Österreichischen Alpenverein bestätigt: „Jene, die als erstes in den Hang fahren, haben meist gutes Know-how. Aber die Nachkommenden nicht“, sagt der Bergführer. Gemeint ist, dass Sportler „blind“ einer Spur folgen. Unter dem Motto: Wenns mein Vordermann unbeschadet überstanden hat, passiert mir auch nix. „Ich habe sogar Familien mit Kindern ohne jegliche Ausrüstung im Tiefschnee beobachtet“, erzählt Mössmer. Das sei bei den vorherrschenden Verhältnissen nicht nur wegen der großen Lawinengefahr lebensbedrohlich. „Wenn man in ein Loch stürzt und keine Schaufel bei sich hat, kommt die Hilfe meist zu spät.“
Nichts in Ausbildung investieren
Auch Klaus Wagenbichler, Referent für Lawinen bei der Österreichischen Bergrettung kennt das Problem: „Die Leute glauben, dass sie alles können. Es werden Unsummen für ein neues Auto ausgegeben, aber in die Ausbildung wird nichts investiert.“
Plattner sieht dies ähnlich: „Diese Gruppe ist selten für ein etablierte Ausbildung erreichbar. Man muss sie niederschwellig abholen. Mit erhobenen Zeigfinger wird das nichts.“ Wie wichtig Wissen ist, zeigt auch der Umstand, dass viele zwar teure Lawinenausrüstung mit sich führen, aber diese nicht bedienen können.
Sicherheitstipps
Wer sich zum Tourengehen oder mit Schneeschuhen ins freie Gelände bewegt, sollte sein Vorhaben sorgfältig planen. Dazu gehört nicht nur das Studieren des aktuellen Lawinenlageberichts (www.lawinen.at), sondern auch eine entsprechende Tourenvorbereitung mit der Berücksichtigung der Wettervorhersage, des Schwierigkeitsgrades, der zu bewältigenden Höhenmeter usw.
Laut Österreichischer Bergrettung und den alpinen Vereinen ist ein Mindestmaß an Sicherheitsausrüstung für jede Skitour ein absolutes Muss. Experten empfehlen, die Ausrüstung den winterlichen Verhältnissen anzupassen und im Sinne der körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein geringes Rucksackgewicht zu achten.
Mit dabei sollte unbedingt ein Lawinenverschütteten-Suchgerät, kurz LVS, Schaufel und Lawinensonde sowie ein Erste-Hilfe-Paket sein. Für Ausflüge ins hochalpine Gelände wird ein Biwaksack beziehungsweise ein Lawinen-Airbag-System empfohlen.
Wer in eine Lawine gerät, hat nur die ersten 18 Minuten eine relativ hohe Überlebenschance von über 80 Prozent. Bereits zwischen 18 und 35 Minuten kommt es häufig zum Erstickungstod, die Überlebenswahrscheinlichkeit sinkt in diesem Zeitraum auf 34 Prozent. Nach 35 Minuten liegt sie nur noch bei unter 20 Prozent.
Kommentare