Tirol: Die Lawinenhelden aus dem Ötztal
Wenn Hobbyskifahrer gerade die Augen in der Früh aufschlagen, sind sie schon unterwegs: Manfred Fiegl, Obmann der Lawinenkommission in Sölden, sein Stellvertreter Peter Raich und ihre Mitarbeiter. Wetterbericht und -vorhersage werden genau studiert. An den Standorten Giggijoch, Gaislachkogl und Gletscher wird die Situation grob eingeschätzt, bevor das gesamte Skigebiet abgefahren und besichtigt wird, Schneeprofile erstellt und notwendige Sprengungen durchgeführt werden. „Die gesammelten Schneeprofile ergeben ein Gesamtbild der Schneesituation und sind eine wichtige Entscheidungshilfe für uns“, sagt Manni, wie Manfred von den Ötztalern genannt wird. Am wichtigsten sei aber, dass die Kommission ständig im Gebiet unterwegs ist. Manfred nennt das „an der Front sein“. Meistens fahren sie auch im freien Gelände abseits der gesicherten Pisten, da man dort „noch etwas mehr sieht und spürt“.
Jahrzehntelange Erfahrung und Ortskenntnis spielen eine große Rolle. Die Lawinenprofis von Sölden kennen jeden Winkel in ihrem Skigebiet und haben ein G’spür für Schnee. „Wichtig ist es, zu wissen, was unten drin ist.“ Vor allem bei Neuschnee. Aber große Schneemengen bedeuten nicht automatisch große Gefahr. Viel mehr gilt: „Der Wind ist der Baumeister der Lawine.“ Und Wind spielt in Sölden, wegen der extremen Höhenlage (3.300 Meter) eine große Rolle. Die meist vorherrschende Hauptwetterlage aus Nord-West bringt neben Schnee nämlich auch viel Wind. Speziell im Frühjahr, wenn es zu starken Temperaturschwankungen kommt, sind laufende Kontrollen und Schneedeckenuntersuchungen wichtig.
Ungefähr vierhundert Sprengungen werden pro Saison durchgeführt. Entweder aus dem Hubschrauber, mit GasEx-Anlagen (eine Kombination aus Gas und Sauerstoff), Lawinenorgeln (eine dauerhaft errichtete Wurfanlage für Sprengstoff) und Handsprengungen. Von den Sprengmasten wird die Treibladung ferngezündet. Eher selten, weil nicht ganz ungefährlich, sorgt das Team für „Skiauslösungen“ – Peter Raich nennt das „in die Hänge hupfen“ – für Lawinenabgänge an vermeintlich harmlosen Böschungen, wo man nicht sprengen kann.
Ungefährlich, aber genauso wichtig sind weitere Aufgaben zur Sicherung des Skigebiets: Markierungen, Absperrungen, die Absicherungen der Pisten mit Zäunen oder die Polsterungen von Liftstützen und Schneekanonen. Die Lawinenspezialisten arbeiten nicht nur akribisch, um das Skigebiet abzusichern, sondern sie setzen sich auch Gefahren aus. Aber sie lieben ihren Beruf. Manfred Fiegl: „Was gibt es Besseres, als immer in der Natur zu sein. Aber das Schönste ist, wenn du als erster bei Sonnenaufgang in einen unverspurten Hang hineinfährst und deine Schwünge ziehst.“ Ein Traum, nicht nur für die Helden im Schnee.maria gurmann
Kommentare