Dilemma für Retter: Fahrerflucht nach Lawinenabgang

Im Axamer Lizum dauerte die Suche nach den vermeintlich Verschütteten mehrere Stunden
Lawinenabgänge ohne Verschüttete werden kaum gemeldet. Für Retter ein Dilemma

Zwei Polizeihubschrauber, Dutzende Bergretter, Tausende Euro Einsatzkosten – und am Ende alles umsonst. Im Skigebiet Axamer Lizum haben sich am Wochenende Szenen abgespielt, die laut Experten immer mehr zu einem Problem im alpinen Gelände werden. Unbekannte hatten eine Lawine ausgelöst, bei der niemand verschüttet worden war. Doch das verschwiegen die Verursacher. „Den Lawinenkegel hat schließlich jemand vom Lift aus entdeckt und bei der Bergrettung Alarm geschlagen. Wir haben stundenlang nach möglichen Opfern gesucht, denn woher sollen wir wissen, ob jemand unter der Lawine liegt“, sagt Bergretter Gerhard Mössmer.

Keine Strafe

Seit mehreren Jahren beobachtet Mössmer, der beim Österreichischen Alpenverein auch Bergsportexperte für Ausbildung und Sicherheit ist, das Phänomen bereits. Allein in Tirol kam es am Wochenende zu drei Einsätzen wegen fehlender Meldungen nach Abgängen. „Es ist nicht cool, wenn man sich nach dem Lawinenabgang einfach aus dem Staub macht. Das ist wie Fahrerflucht.“

Dabei haben die Verursacher nichts zu befürchten, denn grundsätzlich ist es nicht strafbar, eine Lawine auszulösen. „Den Besten kann das passieren. Aber man erspart den Einsatzkräften viel Zeit, Nerven und Einsatzkosten, wenn man sich nach einem Lawinenabgang meldet“, sagt Bergführer Mössmer.

Richtiges Verhalten

Ein kurzer Anruf bei der Leitstelle (140, 144 oder auch 112) oder eine Info beim Lifthäuschen würde genügen. „Man gibt an, wo ist es passiert ist, dass man eine Lawine ausgelöst hat, und dass niemand zu Schaden gekommen ist. Wenn wirklich was passiert ist, rufen die Leute schließlich auch immer an“, erklärt der Bergretter.

Laut Kuratorium für Alpine Sicherheit gab es in der Wintersaison 2019/20 insgesamt 13 Todesopfer durch Lawinen (zehn Männer und drei Frauen).

Gründe für fehlende Meldemoral

Woher die fehlende Meldemoral kommt? „Es ist eine Mischung aus Unwissenheit und Angst“, erklärt Mössmer. Das Argument, dass man nicht wissen könne, dass sich niemand unter der Lawine befindet, lässt er nicht gelten. „Wenn man im Gelände unterwegs ist, sollte man so viel Profi sein, dass man weiß, ob sich jemand unter einem im Hang befunden hat.“

Bergretter gefordert

Bei der Österreichischen Bergrettung sieht man das ähnlich: „Unsere Alarmierungen sind heuer nach den massiven Schneefällen explodiert“, erklärt Klaus Wagenbichler, Referent für Lawinen. „Die Bitte der Bergrettung lautet ganz klar, wenn jemand etwas auslöst, dann soll er dies auch melden. Das erleichtert uns einiges. Denn unsere Einsätze werden auch so schon mehr. Wir machen das sehr gerne und freiwillig, aber unnötige Einsätze ersparen wir uns ebenso sehr gerne.“

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