Kurpfuscher: Wenn die Schönheits-OP ins Auge geht
Jasmin (Name geändert, Anm.) wollte sich zu ihrem 19. Geburtstag selbst ein Geschenk machen. Sie wünschte sich vollere Lippen und eine Nasenkorrektur. Auf Instagram sah sie die Werbung einer angeblichen Ärztin, mit der sie sich direkt über die soziale Plattform einen Termin ausmachte. Schließlich gab es aktuell sogar einen Sonderrabatt. Lippen und Nase für 350 Euro. Doch den Eingriff bereut die junge Frau bis heute.
Sie trägt eine Maske. Fast immer. Denn ihre Nase wäre nach der Spritze mit Hyaluronsäure beinahe abgestorben. Der Eingriff hat deutliche Narben hinterlassen, ein Teil der Nase wirkt eingefallen. „Ich fahre nicht mehr mit den Öffis“, erzählt Jasmin. Bei Kälte oder Sonne spürt sie starke Schmerzen. Auf offener Straße hat sie schon mehrmals abfällige Bemerkungen gehört.
Spiegelbild
„Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sehe, muss ich daran denken, was passiert ist“, sagt Jasmin. „Ich kann keinen Ärzten mehr vertrauen.“ Ihre Leidensgeschichte erzählt Jasmin in einem Gerichtssaal in Wien. Denn die angebliche Ärztin, die sie behandelt hatte, war gar keine. Sie hatte eine zweitägige Ausbildung in Polen absolviert. Dazu noch einen Online-Kurs. Den Doktortitel hatte sie frei erfunden. Die Frau sitzt in Untersuchungshaft.
Jasmin ist nur eines von Dutzenden Opfern. Denn die falsche Ärztin war in den sozialen Medien durchaus präsent. Vor allem junge Frauen um die 20 zählten zu ihren Kundinnen. Die Eingriffe fanden teils in einem Wohnzimmer statt, teils in einer Ordination in Wien-Favoriten, wo zeitweise Bauarbeiten stattfanden.
Eine Zeugin berichtet davon, dass sie misstrauisch geworden sei, weil der weiße Arztmantel schmutzige Ränder hatte. Botox ließ sie sich trotzdem spritzen. Eine andere spricht von starken Schmerzen während des Eingriffs.
"Geht das weg?"
Auch im Internet fanden sich rasch erste kritische Stimmen zur Frau Doktor. „Ich habe viele blaue Flecken und meine Lippen sind sehr hart. Geht das weg?“, fragt eine junge Frau.
Eine andere antwortet ihr: „Habe meinen Termin abgesagt, da die Ärztin um drei Uhr nachts auf Whatsapp schrieb und auch auf Insta-Stories sehr unglaubwürdig rüber kam (kein Arzt lästert über andere über Social Media). Sie ist keine Ärztin!“
„In Wien gibt es viele, die das machen. Ich dachte, dass ich das auch darf“, sagt die mittlerweile 25-jährige Angeklagte bei ihrem Prozess im Wiener Landesgericht. „Die Konkurrenz in Wien ist groß“, bekräftigt auch ihr Anwalt. „Es gibt viele junge Frauen, die billig viel Leistung wollen.“
Jasmin wird diesen Wunsch lange bereuen. Es wird mehrere Jahre dauern, bis sie die Schäden operativ korrigieren lassen kann. „Der erste Eingriff kostet 6.000 Euro, jede Folgeoperation 3.000 Euro“, schildert sie.
Unrealistische Wünsche
Doch Jasmin ist mit ihrem Wunsch nicht allein. Die Nachfrage nach derartigen Eingriffen steigt. Das bemerkt auch der Wiener Schönheitschirurg Johannes Matiasek. „Manche Patientinnen zeigen mir ein Instagram-Foto und wollen so aussehen. Was sie nicht bedenken: Die Bilder wurden meist nachbearbeitet. Oft muss ich dann die Wünsche nach unten schrauben.“ Immerhin 25 Prozent seiner Patienten sind unter 30 Jahre alt. „Lippenunterspritzungen und das Aufpolstern der Wangen sind oft geäußerte Wünsche“, erklärt der Schönheitschirurg.
Und hin und wieder landen auch verpfuschte Patientinnen bei ihm. „Speziell der Nasenbereich ist kritisch, weil dort viele Gefäße verlaufen.“ Wird Hyaluronsäure falsch gespritzt, kann es zu Thrombosen und absterbenden Hautzellen kommen. „Wenn die Haut weiß wird, ist Feuer am Dach“, sagt er.
Doch nicht jedes Angebot auf Instagram ist unseriös. „Social Media zu verdammen, ist falsch. Auch ich habe einen Instagram-Account“, sagt Matiasek.
Alles für die Schönheit
Hunderttausend Schönheitsoperationen werden jährlich nach Schätzungen in Österreich durchgeführt. Die Hälfte davon betrifft nicht-chirurgische Eingriffe wie z. B. Botox-Behandlungen.
Feindbild Falten
Am häufigsten werden Faltenunterspritzungen vorgenommen. Auf Platz zwei befinden sich bereits Eingriffe an den Brüsten. Die größte Nachfrage gibt es in Wien, Salzburg und Tirol. Die geringste in Kärnten und Oberösterreich.
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