Wiener Therapeutin schrieb 700 Atteste für Maskenbefreiung
Der einsame Sicherheitsmann verzweifelt Freitagvormittag im Landesgericht für Strafsachen in Wien. „Bitte Maske aufsetzen“, appelliert er. Gehör findet er keines. Als Antwort bekommt er maximal: „Ich habe eine Befreiung.“
Überraschend viele Menschen, die sich vor dem Saal 204 sammeln, wollen eine derartige Maskenbefreiung haben. Sie rollen eine Österreich-Fahne aus, auf der sie eine „Anklage dieser Regierung“ fordern. Sie wollen wissen, welche Medienvertreter sie filmen und fotografieren. „Eigentlich darf das nur Servus TV“, erklären sie und posieren trotzdem. Um wenig später: „Lügenpresse!“ zu grölen.
Oben ohne
Die Anwesenden sind zur Unterstützung gekommen. Denn als Angeklagte muss eine Heiltherapeutin erscheinen, die derartige Maskenbefreiungsatteste ausgestellt hat – ohne Ärztin zu sein.
Die Dr. phil. erscheint mit Maske am Kinn. Die Begleiterinnen ganz oben ohne. „Das ist unser Gott-gegebenes Recht“, ist zu hören.
Als der Richter die Verhandlung aufruft, strömen die Unterstützer hinein. Doch der Saal ist klein, einen Großteil der Sitzplätze nehmen Pressevertreter ein. Das gefällt den Unterstützern gar nicht. „Nur die Lügenpresse ist zugelassen!“, ätzen sie. Masken tragen noch immer die wenigsten.
Der Richter versucht, klarzustellen: „Die Befreiung der Maskenpflicht ist hier irrelevant. Wer keine tragen will, darf gehen. Notfalls rufe ich die Polizei.“ Die 54-jährige Angeklagte fühlt sich davon nicht angesprochen. „Darf ich die Maske abnehmen? Ich kann damit nicht sprechen.“
Der zarten Frau mit dem bunten Haarband (vertreten von Anwalt Michael-Paul Parusel) wird vorgeworfen, fünf Maskenbefreiungsatteste ausgestellt zu haben – obwohl sie keine Ärztin ist. „Es waren 700“, gibt sie freimütig zu. „Und ich würde Sie bitten, nicht abwertend von ,diesen Attesten’ zu sprechen“, maßregelt sie den Richter. „Ich versuche, den Menschen als Ganzes wahrzunehmen.“ Die Atteste habe sie „mit meinen weitrechenden Erfahrungen“ ausgestellt.
20 Euro zahlten Maskenunwillige für das Attest. Der Richter rechnet nach: „Was war Ihre Leistung für 14.000 Euro?“ „Ich verstehe die Frage nicht“, antwortet die Therapeutin.
Zeugen berichten, dass sie die Angeklagte niemals persönlich gesehen hätten. Die Kommunikation lief über Telefon oder Mail. Dann sei das Attest zugeschickt worden. „Einige sind vorher von Ärzten abgewiesen worden. Ich habe ihnen eine Eintrittskarte zu ihrem eigenen Leben gegeben“, erklärt die Frau.
20 Euro für Nichts
Doch dass ihr Attest wertlos war, verriet sie den Kunden nicht. „Dann hätten wir ja keine 20 Euro gezahlt“, erklären die Zeugen glaubhaft. Eine Zeugin kann leider nicht erscheinen (auch sie bekam ein Attest) – bei ihrer Tochter besteht Corona-Verdacht.
„Dass Covid hoch ansteckend ist und es drei Millionen Tote gibt, steht hier nicht zur Diskussion“, will der Richter noch einmal festhalten. Eine Zuschauerin lacht.
Urteil: Die Therapeutin wird wegen Kurpfuscherei und gewerbsmäßigen Betrugs zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt; nicht rechtskräftig.
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