Chorherr wegen Korruption vor Gericht: "Habe Fehler gemacht"

Chorherr wegen Korruption vor Gericht: "Habe Fehler gemacht"
Der Ex-Grüne entschuldigt sich, spielt seine Rolle herunter und spricht über seine Freundschaften zu anderen Angeklagten.

"Gemeinnützig" und "architektonisch wertvoll" - so beschreibt Christoph Chorherr sein südafrikanisches Schulprojekt in einer Vorabeingabe Ende September an die Justiz. Die WKSta wirft ihm bekanntlich vor, Schmiergeldzahlungen für seine Organisation angenommen zu haben, im Gegenzug für Unterstützung bei Großprojekten wie Heumarkt oder Hauptbahnhof.

Christoph Chorherr plädiert auf "nicht schuldig"

Das brachte auch Michael Tojner und Rene Benko auf die Anklagebank. Chorherr plädiert jedenfalls - wie alle anderen Angeklagten im Korruptionsprozess - auf "nicht schuldig". Am ersten Prozesstag konnte die WKSta noch wenig Belastungsmaterial vorlegen. Wie es am zweiten Tag des  lief, können Sie im Liveticker nachlesen.

LIVE

Chorherr-Prozess, Tag 2

  • |Dominik Schreiber

    Guten Morgen

    Der KURIER tickert heute live vom zweiten Tag im Korruptionsprozess gegen Christoph Chorherr und neun weitere, größtenteils prominente Angeklagte. Kid Möchel und Dominik Schreiber, die vor fünf Jahren die Affäre aufgedeckt haben, werden Sie durch den Tag begleiten.

  • |Dominik Schreiber

    Rückblick auf Tag 1

    Der erste Tag brachte keine neuen Beweise für Schmiergeldzahlungen von Investoren und Baugrößen. Deren Anwälte kritisierten deshalb die WKSta scharf. Deshalb darf man auf die heutige Befragung von Chorherr gespannt sein.

  • |Dominik Schreiber

    Das Medieninteresse ist jedenfalls deutlich geringer als am ersten Prozesstag vergangene Woche. Die ersten Anwälte trudeln ein, auch der Hauptangeklagte Christoph Chorherr ist schon im Gericht. Die Staatsanwälte sind ebenfalls eingetroffen.

  • |Dominik Schreiber

    Rene Benko kam als letzter. Nun sind auch die Schöffen da. Der Vorsitzende, Richter Michael Tolstiuk, hat den Prozess eröffnet. Die Vorwürfe gegen 21 Unternehmen und zehn Angeklagten werden verlesen.

  • |Dominik Schreiber

    Thema Seestadt

    Wegen der vielen Angeklagten sind auch rund drei Dutzend Anwälte anwesend. Sie führen den Reigen der Plädoyers weiter und legen dar, warum ihre Mandanten unschuldig sind. Es geht um Projekte wie die Seestadt, am Heumarkt und beim Hauptbahnhof. Betont wird, dass es keine Zusammenhänge zwischen Widmung und Spenden gab. Jetzt ist ein Anwalt einer Baugesellschaft am Wort, die mit dem Immobilieninvestor Günter Kerbler verbunden ist. Sie hat in der Wiener Seestadt ein Hochhaus gebaut. Die WKSta unterstellt, dass die Gesellschaft ein Vorteil bei der Widmung dieses Baufelds erhalten hat. Das stimmt laut Anwalt nicht, denn die Widmung wurde von der Seestadt-Entwicklungsgesellschaft erreicht. Kerblers Gesellschaft hat nur noch eine Baugenehmigung eingeholt. Das Projekt war schon beim Kauf festgelegt - ohne Spielraum.

  • |Dominik Schreiber

    Jetzt ist Anwalt Oliver Scherbaum am Wort, der drei Soravia-Gesellschaften vertritt. Er erläutert nochmals, dass die Spenden auf einer Geburtstagsfeier der Geschwister Soravia getätigt wurden. Die Spenden stehen in keinem Zusammenhang mit den Soravia-Gesellschaften. Es gibt keine Tat eines Entscheidungsträgers.

  • |Dominik Schreiber

    Anwalt Rüdiger Schender ist am Wort. Er vertritt die Signa Holding und die Signa Retail. Die einzige Gemeinsamkeit, die alle Angeklagten haben, dass sie für den Südafrika-Verein von Chorherr gespendet haben. Bei der Signa liegen die Spenden und tatsächlichen Widmungen zeitlich weit auseinander. Also mehrere Jahre. Man spricht den Unternehmen ab, dass sie sich bei sozialen Projekten engagieren können. Es seien auch nicht alle Spender angeklagt, die Stadt Wien hat 550.000 Euro gespendet, ebenso die Bank Austria und das Bildungsministerium. Benko säße deshalb hier, weil er Immobilienunternehmer ist. Er habe 2011 gespendet, das Bahnhofsprojekt sei 2013 gestartet.

  • |Dominik Schreiber

    Schender will nun Richtigstellungen zur Anklage machen: Es habe nicht Benko gespendet, sondern die Signa Holding, zwischen der Spende und dem Widmungsansuchen für das Projekt Quartier Belvedere am Wiener Hauptbahnhof liegen drei, vier Jahre.

  • |Dominik Schreiber

    Es sei in Österreich nicht illegal, dass Unternehmen spenden. Die Spenden seien sogar vom Gesetzgeber gewollt, da sie steuerlich absetzbar sind. Das Südafrika-Projekt sei auf dieser Spendenliste der begünstigten Vereine des Finanzministeriums, betont der Anwalt.

  • |Dominik Schreiber

    Die Signa-Spenden stehen laut Anklage mit dem Regierungseintritt 2010 der Wiener Grünen in Zusammenhang, das wird von Schender vehement bestritten. Die Signa-Gruppe haben Millionen für gemeinnützige Institutionen gespenden, für Kinder- und Jugendförderung. Das sei deren soziale Verantwortung. Zum Zeitpunkt der Spende sei alles beim Hauptbahnhof noch im Besitz der ÖBB gewesen.

  • |Dominik Schreiber

    Wie wichtig war Chorherr?

    Chorherr galt in Wien stets als politisches Schwergewicht. Schender bezweifelt das. Der Ex-Politiker sei nur einer von 100 Gemeinderäten. Die Frage ist insofern wichtig, ob Chorherr Bauprojekte beeinflussen konnte. Jetzt gibt es eine kurze Pause - sie kann auch zum Nachdenken darüber genützt werden.

  • |Dominik Schreiber

    Pause beendet

    Es geht weiter. Offenbar wurde nicht nur Benko nicht vor dem Prozess zu den Vorwürfen befragt, sondern auch der Geschäftsführer einer der angeklagten Firmen. Dieses Vorgehen der WKStA ist zumindest ungewöhnlich. Auch dass Chorherr in der Anklage als Planungsstadtrat bezeichnet wird, sorgt für Kritik - er war nur Planungssprecher der Grünen.

  • |Dominik Schreiber

    Die Geschäftsführer von zwei angeklagten Unternehmen sind nicht mehr am Leben. Auch in diesen Fällen liegen etwa zwei Jahre zwischen Projektbeginn und Spende. Man darf gespannt sein, wie die Justiz hier Zusammenhänge beweisen möchte. "Wo nichts ist, kann nichts sein", sagt ein Anwalt dazu. Bleibt die Suppe so dünn? Die Angeklagten von Chorherr bis Tojner glauben fest daran.

    daran.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr sagt aus

    Wie alles begann: Chorherr hörte in den USA von einem Architekturprojekt mit Studenten. Das habe er für sein Südafrikaprojekt übernommen. Wien sollte ein Knotenpunkt der Architektur für so ein Projekt werden, es wurden dadurch Kindergärten und Schulen in einem Township gebaut, zum Beispiel von der TU Wien. 12 Unis haben sich daran beteiligt - darunter sogar welche aus Deutschland oder der Schweiz.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr spricht ganz politiker-like, so als sitze er im Wiener Gemeinderat, mit sehr viel Emotion. Er zeigt auf der  Overhead-Leinwand Bilder von jenen Projekten, die sein Verein s2arch in Südafrika errichtet hat. Bis zu 1000 Studierende hätten sich an dem Projekt beteiligt. Zwei Schulen wurden gebaut.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr sagt, er sei stolz auf das Projekt, er gebe aber zu, er habe Fehler gemacht. Darüber will er aber erst später sprechen. Das hatte sein Verteidiger bereits an Tag 1 angekündigt, ebenfalls ohne Details zu nennen.

  • |Dominik Schreiber

    2010 kamen die Grünen in die Wiener Stadtregierung, Häupl hat sich für die Grünen als Koalitionär entschieden. Er sei aber nicht Planungsstadtrat - wie in der Anklage behauptet - gewesen, sondern Vassilakou. „Ich war Planungssprecher“. Er habe die Aufgabe gehabt, die Planung der Öffentlichkeit zu verkaufen.

    Erstmals in der Geschichte Wiens kamen die Grünen in die Flächenwidmung. Chorherr: "Mein Fehler war, dass ich 2010 nicht den Obmann des Vereins zurückgelegt habe." Es tut ihm leid, dass Hemetsberger und sein Freund Kerbler auf der Anklagebank sitzen. Es war sein Fehler, dass ein falscher Anschein entstanden sei. Als Beispiel bringt er auch zwei Entscheidungen gegen Bauherren.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr räumt auch ein, dass er die Bauträger in ihren Zentralen besucht habe. Er sei gern hingefahren. Sein Lebensprinzip sei, vom Gegenüber Gutes zu erwarten, bis zum Beweis des Gegenteils. Alles hier thematisierten Widmungen wären auch so erfolgt, weil Planungsstadträtin Maria Vassilakou die Letztentscheidung hatte. Durch die Spenden sei jedenfalls niemand geschädigt und niemand begünstigt worden.

  • |Dominik Schreiber

    Es gibt wieder eine kurze Pause.

  • |Dominik Schreiber

    Richter Tolstiuk fragt nun Chorherr, welche Funktionen er von 2012 und 2018 im Gemeinderat hatte. Er saß in zwei Planungs- und Wohnbauausschüssen, der Verein s2arch wurde 2003 gegründet. Die beiden größten Spender seien die Bank Austria und die Stadt Wien gewesen. Viel Geld gab auch Hemetsberger.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr war bis 2018 Obmann des Vereins, die Stadt Wien hat das Projekt schon nach Gründung des Vereins 2003 unterstützt. Der Finanzer des Vereins hat die Anträge an die Stadt gestellt und südafrikanische Wirtschaftsprüfer haben die widmungsmässige Verwendung der Gelder bestätigt. Bestätigungen für eine punktgenaue Abrechnung gab es nicht, da 12 Universitäten in das Südafrikaprojekt involviert waren, sagt der Ex-Politiker.

    Der Richter fragt, in welche Städtebauprojekte hat sich der Gemeinderat involviert? Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sagt Chorherr. Er beschreibt , welche Institutionen und Gremien involviert sind, ein tolles Projekt sei der Grünraumplan gewesen, wo nicht gebaut werden dürfe. Aber die Hauptlast liege bei der Planungsstadträtin.

  • |Dominik Schreiber

    Der Richter will wissen, wie die Zusammenarbeit mit der Stadträtin war. Es gibt einige wenige umstrittene Projekte wie das Hochhaus am Heumarkt, das haben die Stadträtin und der Bürgermeister entschieden. Die Lage beim Heumarkt sei sehr komplex, mehrere Verfahren dazu noch im Gange.

    Welche Rolle hat Chorherr, fragt der Richter. Er habe die Rolle gehabt, die Dinge, die die Anrainer und die Öffentlichkeit interessieren, zu erläutern. Da er Sprecher gewesen sei und mehr Zeit als die Stadträtin hatte, habe er sich mehr für die Details interessiert als sie.

    Welche Standpunkte habe er vertreten, die der Grünen oder Stadträtin? Wenn ein qualifizierter Architektenwettbewerb stattfand, habe er das Ergebnis verkündet.

  • |Dominik Schreiber

    Chorherr trifft Tojner

    Der Heumarkt war jedenfalls ein Sonderfall, es gab Gegenwind auch seitens der Grünen und eine Mitgliederbefragung, es war eine knappe Mehrheit dagegen. Vassilakou habe entschieden, dass dieses Projekt nicht abgeblasen werden kann. Zwei Grüne Gemeinderäte haben aber dagegen gestimmt.

    Bei einer großen Besprechung habe er Tojner kennen gelernt. Danach hätten sich die beiden per Mail ausgetauscht. Der Heumarkt sei das schwierigste Projekt seines Lebens gewesen. Die Vizebürgermeisterin habe deswegen auch häufig nachgefragt.

  • |Dominik Schreiber

    Was die Spenden an den Verein betrifft, so habe sich der zuständige Finanzer des Vereins darum gekümmert. Er habe erst nachträglich davon erfahren. Welche Verwaltungskosten hat der Verein getragen, fragt der Richter. Flüge nach Südafrika wurden bezahlt oder ein kleines Mietauto.

    Welche Spenden waren Chorherr nun tatsächlich bekannt, fragt der Richter. Offenbar nicht alle. Spenden von Willi Hemetsberger waren ihm bekannt, aber auch von Tojner und abscheinend auch von den Soravias. Von einigen will er erst nach dem Platzen des Skandals durch einen KURIER-Bericht erfahren haben.

  • |Dominik Schreiber

    Hemetsberger und Chorherr lernen einander 2008 kennen. Hemetsberger spendete in der Folge insgesamt 1,28 Millionen Euro. Auch mit Kerbler sei er seit 40 Jahren eng befreundet, zeitweise seien sie Nachbarn in Wien-Penzing gewesen. Wann wer genau gespendet habe, wisse er nicht.

    Allerdings weiß er, dass Hemetsberger Benko von einer Spende über 100.000 Euro überzeugt habe.

    Eine Beisitzerin fragt, ob Chorherr die Planungsstadträtin nur in politischer Funktion vertreten habe oder als Organ. Das sei gar nicht möglich. Sie will aber auch wissen, ob es eine Weisungskette an die MA21 gebe. Der Bürgermeister kann jedem Beamten eine Weisung gegeben, auch dem Magistratsdirektor. Er selbst habe bei Besprechungen nur seine Visionen preisgegeben bzw. sei er nur beratend tätig gewesen.

     

     

  • |Dominik Schreiber

    Fest steht aber, dass die Projekte aus der Anklage besonders umstritten waren. Beim Heumarkt sei er einer der 14 Juroren gewesen, sagt er. Er sei eher gegen den Turm gewesen, habe das Projekt aber dann auf Wunsch Vassilakous unterstützt.

     

     

  • |Dominik Schreiber

    Das war das wichtigste von Tag 2, der KURIER beendet hiermit den Livestream.

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