Keine Quarantäne trotz explodierender Corona-Zahlen in Hermagor
120 Kilometer lang, 18.435 Einwohner: Das sind die nüchternen Fakten, wenn es um den Bezirk Hermagor in Kärnten geht.
Doch seit Tagen zählt auch eine weitere besorgniserregende Zahl zu diesen Fakten: Hermagor hat die höchste Sieben-Tages-Inzidenz aller Bezirke in ganz Österreich. Am Mittwoch lag diese bei 526. Platz zwei belegt Jennersdorf mit 281 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner. Es folgt Hartberg-Fürstenfeld mit 249 und dann bereits wieder ein Kärntner Bezirk: Spittal an der Drau: Sieben-Tages-Inzidenz 239. Auch bei den Bundesländern hat Kärnten mittlerweile die Spitze der Sieben-Tages-Inzidenz erreicht (143,24; Salzburg 127,33). Aufgrund dieser hohen Zahlen wurde sogar von einer Quarantäne gesprochen.
Denn Fakt ist auch: Die Maßnahmen, die gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Hermagor bisher ergriffen worden sind, gehen vielen zu wenig weit. Dass es Zeit zu handeln ist, belegte auch eine Reise, die Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am Donnerstag antrat. Zu Mittag hielt der Landeshauptmann ein Treffen mit Experten und Hermagors Bezirkshauptmann Heinz Pansi vor Ort ab. Inhalt: Weitere Maßnahmen für den Bezirk, um die Ausbreitung aufzuhalten. Das überraschende Ergebnis: Es gibt keine Quarantäne für den Bezirk.
Quarantäne und Tests für Skifahrer
Vielmehr bereits bestehende Maßnahmen. Laut Landeshauptmann Peter Kaiser werden Kontaktpersonen der Kategorie I und II Tests unterzogen und die derzeit infizierten Menschen werden am achten Tag, bevor die Quarantäne beendet wird, noch einmal getestet, um auf Nummer Sicher zu gehen, da die Viruslast bei den Infizierten sehr hoch ist. Diese Maßnahmen wurde bereits vergangene Woche beschlossen.
"Ebenso zur Diskussion stehen verpflichtende Tests für die Skifahrerinnen und Skifahrer, die beispielsweise am Nassfeld die Lifte nutzen. Die drei vorhandenen Teststraßen mit vier Testlinien in Hermagor, Kötschach und im Lesachtal können intensiviert werden", sagte Kaiser.
Das Nassfeld ist mit 110 Pistenkilometern immerhin das größte Skigebiet Kärntens. Gerald Kroschel, Sprecher des Skigebiets: "Wir haben bereits zwei Teststationen, die mit Saisonbeginn errichtet worden sind. Falls der Fall der Fälle eintritt, sind wir gerüstet." Eine Schließung des Skigebiets sei laut derzeitigem Stand nicht geplant. "Wir wollen bis 11. April regulär geöffnet lassen."
Dass es keine Quarantäne gibt, sorgt für Unverständnis. Denn die bisherigen Experten-Vorgaben sprechen klar dafür. Bisher wurde immer eine Sieben-Tages-Inzidenz von 200 als Richtwert für weitere Schritte genannt. Zur Erinnerung: In Hermagor liegt sie bei 526. Kärntens Landeshauptmann-Stellvertreterin Beate Prettner sagte im KURIER-Gespräch: "Wir wollen uns die Entwicklung der Zahlen in den kommenden Tagen ansehen, dann werden wir nochmals eine Entscheidung diesbezüglich treffen. Aber eine Quarantäne ist die ultima ratio." Warum dies in Tirol für ein ganzes Bundesland möglich gewesen sei, aber in Kärnten nicht für einen einzelnen Bezirk? "Die Fälle verteilen sich über den ganzen Bezirk, der mit 120 Kilometer die Länge sozusagen von Wien bis über den Semmering reicht. Wir wollen die Entwicklung abwarten", sagt Prettner.
Polizeikontrollen
Hermagors Bezrikshauptmann Heinz Pansi appelliert vor allem an die Eigenverantwortung der Bürger: "Wir müssen auf Eigenverantwortung setzen. Wir können nicht vor jedes Haus einen Polizisten stellen.“ Erhöht sollen aber die Polizeikontrollen in Bezug auf Zweitwohnsitze und Gewerbebetriebe in dem Kärntner Bezirk werden.
Mehr Kontrolldruk durch die Exekutive gab es bereits seit Anfang der Woche. Denn eine derartige Ausbreitung des Virus, in einem dünn besiedelten Gebiet, deutet auf einen Nichteinhaltung der Kontaktbeschränkungen hin. "In Wien mag ein Einpersonenhaushalt die Regel sein. Doch bei uns sind Zwei, ja sogar, Drei-Generationen-Haushalte der Normalfall. Darum breitet sich das Virus in den Haushalten enorm aus", erklärt Pansi. Laut Gesundheitsreferentin Prettner sollen die Polizisten auch kontrollieren, ob Masken bei Fahrgemeinschaften im Auto getragen werden.
Testen, testen, testen
Verschärft wird die Situation in Hermagor zusätzlich durch die rasante Ausbreitung der hochansteckenden britischen Virusmutation. Insgesamt 80 Prozent aller Fälle gehen im Bezirk auf die Mutation zurück. "Die birtische Mutation ist bei uns leider mittlerweile zu einer heimischen geworden", sagt Pansi.
Um 15 Uhr tagt nochmals das Koordinierungsgremium des Landes. Dann werden die Maßnahmen final beschlossen. Denkbar wäre auch, dass eine Maskentragepflicht im Freien für die Bewohner Hermagors kommt.
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