Senkung des Strafalters: "Käme gesellschaftlichem Rückschritt gleich"

Erst Anfang der Woche verhängte das Wiener Straflandesgericht mehrmonatige Haftstrafen für sogenannte Systemsprenger, also jugendliche Intensivtäter. Am Mittwoch ereilte drei weitere Burschen dasselbe Schicksal.
Der Fall eines 15-jährigen Verurteilten veranschaulichte dabei einmal mehr, wie schwer sich die Behörden im Umgang mit kindlichen Tätern tun.
Der Bursche hatte zehn Minuten nach seiner polizeilichen Beschuldigteneinvernahme wegen eines Raubes bereits den nächsten Überfall verübt.
Jugendliche verurteilen mit zwölf Jahren?
Zwar war der Jugendliche zum Tatzeitpunkt schon strafmündig, immer öfter wurden zuletzt aber auch Fälle noch jüngerer Täter bekannt. Aufgrund dieser wird von der ÖVP die Senkung des Strafalters von 14 auf zwölf Jahre gefordert.
Ein Vorstoß, dem Christian Reiner, Geschäftsführer des Vereins „Rettet das Kind“ im Gespräch mit dem KURIER eine klare Absage erteilt: „Das käme einer gesellschaftlichen Rückentwicklung gleich.“ Entwicklungspsychologisch sei erwiesen, dass Menschen unter 14 Jahren noch nicht in der Lage sind, ihre Handlungen voll zu verstehen und Verantwortung dafür zu übernehmen. „Wir müssen uns auch die Frage stellen: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die Kinder ins Gefängnis sperrt?“ Zudem handele es sich bei den Intensivtätern um eine kleine Minderheit innerhalb der Altersgruppe.
Und noch etwas gibt Reiner zu bedenken: „Wenn wir das Strafalter senken und die Person wird verurteilt, dann ist sie ein verurteilter Straftäter. Das macht etwas mit Menschen.“ Das, so der Experte, habe einen unglaublich negativen Einfluss auf diese jungen Menschen, die dann unter diesen Vorzeichen erwachsen werden. Das Mittel, das hier eingesetzt werden müsse, sei die Prävention.
Phänomen Social Media
Fakt ist, dass sich die Strafanzeigen in der Gruppe der Zehn- bis 14-Jährigen in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt haben. Eine Entwicklung, die Reiner wenig überrascht: „Wir vergessen, dass unsere Gesellschaft wächst und auch internationaler wird – das war immer schon so. Aber das Internet und Social Media hat es damals nicht gegeben.“
Die jungen Burschen, die aufgrund einer langen Liste an Straftaten in diesen Tagen vor Gericht standen, hätten keine Bezugspersonen gehabt, die Stabilität und Struktur in ihr Leben gebracht hätten. „Sie hatten mit Sicherheit keine schöne Geschichte und sind oft im Stich gelassen worden“, sagt Reiner. „Und dann machen sie über das Negative auf sich aufmerksam. Wenn sie dann ein Video von ihrer Tat posten und 7.000 Leute darunter schreiben, wie leiwand sie sind, dann kann der Betreuer in der Jugend-WG ja gar nicht recht haben“, erklärt er.
Dieses Phänomen sei zu wenig beachtet worden, obwohl es einen enormen Einfluss auf die Entwicklung ohnehin schon labiler Jugendlicher habe. „Es ist eine substanzunabhängige Sucht, die das Gehirn völlig überfordert – und das macht einen sicher nicht zu einem besseren Menschen.“
Insgesamt, so Reiners Appell an die Politik, müsse das Berufsfeld der Jugendarbeit aufgewertet werden. Nur so könnten mehr Menschen für den Beruf gewonnen werden. Und die würden dringend gebraucht – zum einen für eine Verkleinerung der Wohngruppen hin zu familienähnlichen Strukturen und zum anderen für einen besseren Personalschlüssel.
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