Josefstadt: Der Gefängnisseelsorger über Gedanken der Häftlinge

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Ein Gespräch über Schuldgefühle von Mördern, Religiosität und Probleme mit strenggläubigen Muslimen. Sogar körperliche Übergriffe auf Andersgläubige soll es geben.

Christian Kuhn arbeitet seit vier Jahrzehnten hinter Gittern. Der KURIER besucht ihn in seinem kleinen Büro im Erdgeschoss der Justizanstalt Josefstadt. Auf dem Schreibtisch türmen sich Papierstapel, an der Wand hängt ein Kreuz. Im Regal hat Kuhn Schokoriegel und Zigaretten gelagert. Ab und zu verteilt er diese an Häftlinge. 1.115 Insassen leben aktuell in der größten Wiener Haftanstalt. Zu viele, denn es herrscht bereits seit einigen Jahren Überbelag. Der katholische Gefängnisseelsorger kennt die meisten Inhaftierten und wenn er durch die Zellenblöcke zischt, wird er amikal begrüßt - von der Justizwachebeamtin, vom Kantinenchef, von den Inhaftierten. Ihm und seinem Team vertrauen die Menschen hier ihre intimsten Gedanken an. 

Wie wird man denn Gefängnisseelsorger, Herr Kuhn?

Christian Kuhn: Bei mir war es ein Zufall. Ich habe katholische Theologie studiert und abgeschlossen, dann aber eine Zeitlang an einem Theater gearbeitet. Als ich 27 Jahre alt war erzählte mir ein Freund, dass im Gefängnis dringend Seelsorger gesucht werden. Ich dachte, ich mache das vorübergehend, bin aber geblieben und arbeite hier als Pastoralassistent. Bald sind es 40 Jahre. 

Sie sind schon seit 1980 in den österreichischen Gefängnissen tätig.

Ja, mit einer Unterbrechung von zwei Jahren, wo ich hier freigestellt war und bei der UNO als Konsulent für Strafvollzug arbeitete. Dabei habe ich viele ausländische Gefängnisse besucht.

Welche Eindrücke konnten Sie dort gewinnen?

Ich habe sehr oft ganz furchtbare Menschenrechtsverletzungen gesehen, etwa in südamerikanischen oder afrikanischen Gefängnissen. Dort sitzen Kinder in Haft, weil sie Lebensmittel gestohlen haben. In manchen dieser Haftanstalten herrschte ein großes Chaos. Verschwundene Akte, weshalb Inhaftierte nicht frei kamen, obwohl sie nur Bagatelldelikte begangen hatten.

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