Infektionszahlen könnten doch systemkritisch werden

Symbolbild
Bleiben die Infektionszahlen so hoch, könnte das Gesundheitssystem an die Belastungsgrenzen gelangen, so Epidemiologin Eva Schernhammer.

Fast 50.000 Neuinfektionen wurden gestern registriert - tags zuvor waren es fast 48.000. Die Corona-Zahlen erklimmen neue Höchstwerte. Die Ampel-Kommission reagiert, indem sie wieder alle Bundesländer auf höchstes Risiko einstellt, auch wird die Wiedereinführung geeigneter Schutzmaßnahmen gefordert, ohne jedoch konkrete Vorschläge zu machen. 

Der neue grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch sieht das Ganze offenkundig nicht ganz so brisant. In einer Stellungnahme des Ministeriums von gestern Abend, Donnerstag, hieß es: "Wir müssen sehr darauf achten, Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen wenige Tage nach der weitgehenden Öffnung wäre der Bevölkerung nicht vermittelbar." Sie sei nach den Prognosen, die die Corona-Kommission selbst veröffentlicht habe, auch nicht nötig. Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei in keinem einzigen Bundesland absehbar.

Österreichweit sind derzeit in zwei Bereichen viele große Cluster zu verorten: im Gesundheitsbereich, wie etwa in Pflegeheimen und im Bildungsbereich, sprich in Schulen und Kindergärten.

Experten kritisieren schon länger, dass die Schutzmaßnahmen in den meisten Bereichen und quer übers Land - mit Ausnahme von Wien - aufgehoben wurden. Die Regierung argumentiert, dass die Omikronwelle trotz hoher Infektionszahlen das Gesundheitssystem nicht an die Grenzen bringen würde, Spitäler nicht überlastet würden.

Jedoch: "Die letzten Berechnungen zeigen jetzt doch wieder, dass es möglicherweise schon systemkritisch werden könnte, wenn diese hohen Infektionszahlen bleiben", so Epidemiologin Eva Schernhammer, Mitglied in der Impfpflicht-Kommission im Ö1-Morgenjournal von Freitag. "Man hätte die Öffnungsschritte erst setzen sollen, "wenn ein stabiler Abwärtstrend sichtbar ist."

"Mitten in der größten Krise"

Dass der Gesundheitsminister angesichts der aktuellen Infektionszahlen keinen Handlungsbedarf ortet, kann Sigrid Pilz, Patientenanwältin der Stadt Wien, im Ö1-Morgenjournal, "nicht verstehen". Wenn immer erst dann gehandelt wird, wenn die Systeme am Anschlag sind "leben wir in einem sehr gefährlichen Kurs", warnte Pilz und fordert: "Es wäre hoch an der Zeit, dass wir die Schutzmaßnahmen wieder einführen." Pilz kann nicht verstehen, dass man aktuell von "Frühlingserwachen" spreche, "wenn wir doch mitten in der größten Krise sind."

Konkret würde Pilz die FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen wieder einführen, Schulen eingeschlossen. In Schulen und öffentlichen Gebäuden müssten "dringend" Luftfiltersysteme installiert werden. Wo möglich, sollte im Homeoffice gearbeitet werden. Und auch die Gratistests würde Pilz nicht abschaffen.

Gesundheitspersonal nicht weiter überfordern

Den Wiener Kurs mit strengeren Regeln als der Rest des Landes, heißt Pilz gut. Für den Gesundheits- und Pflegebereich mahnt die Patientenanwältin, "jene, die wir am meisten brauchen", nämlich Pflegekräfte, Ärzte und Ärztinnen und das Personal im Gesundheitsbereich, "so unter Druck setzen, dass sie überfordert sind." Ohnehin sei das Personal durch die letzten Jahre "sehr, sehr belastet." "Wir müssen aufeinander aufpassen."

Sich rein an den Auslastungszahlen der Intensivstationen zu orientieren, sei falsch. Man könne nicht darauf warten, dass die "Systeme in einen kritischen Zustand kommen." Bei derart hohen Infektionszahlen, würden nun mal mehr Menschen in den Spitälern landen. "Wir müssen die Pandemie bekämpfen, dann können die Spitäler auch ihre Arbeit machen."

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