ChatGPT & Co.: "Auch Google-Suchen mussten wir erst lernen"
Der neue TU Graz-Rektor Horst Bischof über ChatGPT, den Einsatz autonom fahrender Kfz und wie viel Geld die österreichischen Unis brauchen, um nicht zu schrumpfen.
Seit 1. Oktober steht die Technische Universität Graz unter einer neuen Leitung: Horst Bischof übernahm das Amt von Langzeitrektor Harald Kainz.
KURIER: Ein Informatiker an der Spitze der TU Graz. Ganz ehrlich – wie viele Ihrer Reden haben Sie schon von ChatGPT schreiben lassen?
Bischof: Ich gestehe, ich habe sicher fünf, sechs, sieben in letzter Zeit zumindest vorschreiben lassen. Natürlich überarbeitet man sie noch. Ich setze das gerne ein, weil der Start vor einem leeren Blatt Papier immer ein bisschen ein schwieriges Thema ist. Dadurch habe ich dann einmal etwas, womit ich starten kann.
Macht das auch Angst, wenn man sieht, was die Technik bzw. künstliche Intelligenz heute schon alles kann?
Das ist seit meiner Diplomarbeit mein Forschungsthema, daher sehe ich viele dieser Dinge ein bisschen differenzierter. Was macht ChatGPT eigentlich technisch gesehen? Es sagt einfach immer das nächste Wort voraus. Es passiert genau das, was meine Deutschlehrerin prognostiziert, hat: Je mehr du liest, desto besser wirst du schreiben. ChatGPT liest das ganze Internet, schreibt daher äußerst gut. Aber wir kennen alle die Beispiele, wo das entgleist: Man nimmt sieben sehr große Zahlen, etwa 10.723, 13.915 etc. Und sagt zu ChatGPT, sortiere die Zahlen. Das schafft es nicht, weil es diesen Zahlen nie in dieser Kombination gesehen hat. Sage ich ChatGPT aber, schreibe ein Programm, das die Zahlen sortiert, dann schafft es das. Das zeigt: Die Kombination der Mensch steuert und sagt der KI, was es tun soll, ist unschlagbar.
Das Tempo der Entwicklung ist aber rasant.
Erst im November 2022 war die Veröffentlichung von ChatGPT – innerhalb eines Jahres kennt das jeder. Ich sehe die Auswirkungen in anderen Bereichen noch viel mehr als im Schreiben, zum Beispiel im Programmieren. Microsoft hat das bei professionellen Programmierern getestet, sie sind damit 2,3-mal so schnell. Das heißt, jeder Programmierer ist doppelt so produktiv, das reduziert unseren Programmierermangel drastisch. Aber auch hier sieht man: Für diesen kreativen Part des Programmierens braucht man den Menschen.
Letztlich sehen Sie mehr Chancen als Risken.
Ja. Wie bei vielen dieser Technologien müssen wir den Umgang damit erst lernen, den haben wir momentan definitiv noch nicht. Wir haben ja auch erst den Umgang mit Google-Suchen lernen müssen, aber das ist ja viel langsamer gegangen, da konnte sich jeder daran gewöhnen.
Österreich hat heuer wieder den Physik-Nobelpreis gewonnen. Freut Sie das?
Es gibt enge Beziehungen zwischen Ferenc Krausz und der TU Graz. Die Professoren Martin Schultze und Brigitta Schultze-Bernhardt haben beide mit ihm in München gearbeitet. Durch die beiden österreichischen Physiknobelpreise hat die Physik sehr viel Aufmerksamkeit bekommen und könnte durchaus eine gewisse Vorbildfunktion bei jungen Leuten bewirken. Schön wäre es.
Ich war vor einigen Jahre bereits bei Ihnen, da ging es um die Forschung rund um autonomes Fahren. Ich habe Sie das damals gefragt und mache es heute wieder: Wann fahren wir endlich alle unseren K.I.T.T.?
Ich habe immer gesagt: Technisch ist das Thema bald gegessen. Natürlich gibt es Kinderkrankheiten, aber in San Francisco fahren Autos ohne Fahrer autonom durch die Stadt. Ich glaube nach wie vor an 2030, aber im vernünftigen Rahmen, vielleicht keine Bergstraßen und vernünftiges Wetter. Aber das eigentliche Problem ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Tesla baut regelmäßig Unfälle, im Verhältnis gesehen statistisch vielleicht weniger als ein Mensch. Aber dennoch steht in der Zeitung: Roboterauto tötet Kind. Ein autonomes Auto muss viel, viel, viel besser sein als der Mensch.
Taxis sind sicher ein Thema, das sich auch monetarisieren lässt. Ich glaube auch im Lkw-Bereich, wenn man auf den Fahrermangel schaut, das wäre dann der Platooning-Bereich: Einer fährt und alle anderen fahren automatisch nach. All diese Dinge werden wir relativ bald in der Breite sehen.
Sie sagten letztens, die TU Graz verstehe sich als „Taktgeberin in der Themenführerschaft einer digitalen und grünen Transformation“. Ich tue mir mit dem Satz schwer.
Wir wollen vorausgehen und Takt vorgeben, verstehen uns aber auch im Konzert und Gleichklang der anderen Unis. KI ist für uns intern ein Thema, wie können wir mit diesen Technologien unsere Verwaltung effizienter machen? Mir schwebt so etwas ähnliches wie TU Graz GPT vor, wo wir unsere internen Dokumente und Richtlinien schnell auffindbar für alle machen. In der Lehre kann es eine zusätzliche Qualität bieten, dass man Studierenden einen digitalen Assistenten zur Seite stellt, der berät und dem er Fragen stellen kann.
Was bedeutet „grün“ im Bezug auf die TU Graz ?
Das Thema Klimaneutralität ist für uns wichtig, wir haben in dem Bereich aber auch in der Forschung extrem viel zu bieten. Wir sind etwa europaweit sichtbar in der Wasserstoffforschung. Wir haben 160 Forscher in dem Bereich und ein eigenes Forschungszentrum für nachhaltiges Bauen.
Vor einem Jahr gingen Univertreter und Studierende auf die Straße, Thema Kosten und Teuerung. Wie sieht es denn da jetzt aus?
Uns fehlt nach wie vor eine Budgetzusage für 2024, was die Teuerung betrifft. Das wird langsam knapp. Für alle Unis in Österreich sind das rund 500 Millionen Euro für die TU Graz rund 30 Millionen, die da fehlen. Dann haben wir das große Thema Leistungsvereinbarung 2025-2027, wo alle auf die Budgetrede des Finanzministers warten, wo die Unis zumindest einmal globalbudgetiert vorkommen. Vor der Teuerung hatten wir einen Zuwachs an den Unis, das muss man zugestehen. Wenn man den Steigerungspfad beibehalten will, dann wären wir für alle Universitäten bei 20 Milliarden.
Sabine Seidler, Chefin der Universitätenkonferenz, sprach von 16 bis 20 Milliarden Euro.
Genau, 16 Milliarden sind aber diese Summe, die wir brauchen, um nicht wieder schrumpfen zu müssen. 20 Milliarden wären komfortabel. 16 bedeutet Halten des Status quo. Dann darf man sich halt auch nicht beschweren, warum wir in den Rankings nicht aufsteigen. Unter 16 Milliarden wird es schwierig, das würde Personalabbau dort und da heißen, denn wo gibt denn eine Uni ihr Geld aus? Hauptsächlich für das Personal und die Mieten. Ob das sinnvoll ist, Personal abzubauen das ich vorher mühsam aufgebaut habe?
In der derzeitigen Leistungsvereinbarung beträgt das Budget rund 13,5 Milliarden Euro. Ist ein Sprung auf 20 Milliarden Euro wirklich gerechtfertigt?
Natürlich, aus mehreren Gründen. Wir hinken nach wir vor bei den Betreuungsverhältnissen nach, es geht um die Wertschöpfung, die eine Universität schafft. Für alle steirischen Unis ist das der Faktor 1 zu 1,8. Jeder in die Unis investierte Euro löst unmittelbar 1,8 Euro an Investitionen aus.
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