"Hipster-Salafisten": Das moderne Gesicht des politischen Islams

Demonstration von Islamisten  in Hamburg
Sie kleiden sich modern und sprechen nicht mehr von "Ungläubigen", sondern von "Muslimfeindlichkeit".

Sie tragen einen dezenten Bart, moderne T-Shirts, sind sportlich-muskulös. Doch viele von ihnen sind extremistische Influencer: Man könnte sie auch „Hipster-Salafisten“ nennen, die im Internet Anhänger für ihre radikale Weltsicht gewinnen wollen. 

Ultrakonservative Weltanschauungen also, getarnt im modernen Gewand: Ihr Ziel ist es, im Internet Anhänger zu finden und zu missionieren. Ein brisantes Problem, daher ist diese relativ neue Art der Influencer auch ein zentrales Thema des neuen Jahresberichts der Dokumentationsstelle Politischer Islam.

Modernes Auftreten in sozialen Medien

„Früher sind Salafisten traditionell und konservativ gekleidet aufgetreten“, erklärt Ferdinand Haberl, stellvertretender Direktor der Dokumentationsstelle, bei der Präsentation des Berichts am Mittwoch. „Heute sind sie nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar, sie sind hipper und trendiger gekleidet.“ 

Als Beispiele nennt er die Vereinigungen Muslim Interaktiv oder Generation Islam. Eine Entwicklung, die mit jener der Neonaziszene vergleichbar sei, so Haberl weiter: „Da treten mittlerweile auch eher die intellektueller wirkenden Identitären in den Vordergrund.“

Sie greifen Elemente der Jugendkultur auf, drücken sich leicht verständlich aus. Unterwegs sind sie beispielsweise auf Youtube, Tiktok oder Instagram

„Wir beobachten, dass sie mittlerweile auch eine andere Sprache verwenden“, erklärt Mouhanad Khorchide, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle. 

Auch die Ausdrucksweise hat sich verändert

War früher eher eine religiöse Ausdrucksweise üblich, sei es mittlerweile eine moralisierende: „Sie reden nicht mehr so oft von ,Ungläubigen’, dafür aber von ,Muslimfeindlichkeit’ oder von ,antimuslimischem Rassismus’“, erklärt Khorchide. Dies sei etwa bei der Pro-Kalifat-Demo in Hamburg im Mai deutlich zu beobachten gewesen. 

"Zumutung für Muslime in der Mitte der Gesellschaft"

Mit all dem wollen die Akteure vor allem Menschen in der Mitte der Gesellschaft ansprechen, um sie an die extremistischen Ränder zu drängen. Und das sei, betont Haberl, vor allem „eine Zumutung für jene Muslime, die hier in der gesellschaftlichen Mitte leben wollen“. Das unterstreicht auch Khorchide: „Die Leidtragenden sind die Muslime selbst, da der politische Islam die Vorurteile der Rechtsextremen bestätigt.“ 

Woher stammen die Gruppierungen, die versuchen, in Österreich ihren Einfluss geltend zu machen?

„Ein zentraler Akteur des politischen Islam ist der Iran“, erklärt Haberl. „Doch auch die Taliban sind wieder da. Auch sie üben Druck auf hiesige Communities aus.“

Islamistische Gruppen aus der Türkei seien ebenfalls sehr präsent in Österreich: Allen voran Milli-Görus, die eine zentrale Rolle im Leben vieler Muslime hierzulande spiele, außerdem noch die Muslimbrüder und die Grauen Wölfe. Dass der Antisemitismus 2023 wieder zugenommen habe, hänge auch mit diesen Gruppierungen zusammen, so Haberl. 

Mehr Antisemitismus nach Terrorangriff auf Israel

Ein entscheidender Faktor sei der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober: „Seitdem werden verstärkt antisemitische Narrative verbreitet, um die Polarisierung in der Gesellschaft zu stärken“, so Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle.

Hier müsse man wachsam bleiben: „Unsere Verfassung beinhaltet alles, was man braucht, um mit diesen Problemen umzugehen“, betont Fellhofer. „Es geht darum, konsequent davon Gebrauch zu machen, nicht wegzuschauen und zu reagieren.“