Wie Islamisten mit ihrer Propaganda um neue Anhänger buhlen
Juden, die das „Blut nichtjüdischer Nationen“ saugen. Juden, die Palästinenserinnen und deren Kinder entführen, um ihnen „die Haut zu rauben“. Juden, die „der Welt größte Rassisten“ seien.
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zog auch eine Radikalisierung im Internet nach sich: Seitdem kursieren deutlich mehr derartige Postings, die antisemitische Vorurteile und Verschwörungstheorien verbreiten. Das ist eines der Ergebnisse des Jahresberichts der Dokumentationsstelle Politischer Islam, der am Mittwoch präsentiert wird. Der KURIER durfte vorab einen Teil des Berichts einsehen.
„Extremistische Akteure greifen auf bestimmte Narrative zurück, um ihre Kernbotschaften zu vermitteln und ihre Ziele zu erreichen“, so Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle, und Mouhanad Khorchide, islamischer Religionspädagoge.
Neue, junge Anhänger gewinnen
Das bedeutet, dass etwa Anhänger des politischen Islams derartige realpolitische Ereignisse nützen, um ihre Propaganda zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen. So wollen sie (oft junge) Menschen, die noch nicht radikalisiert sind, an eine extremistische Gruppierung heranführen.
Dies passiert in einschlägigen Vereinen, in manchen Gebetshäusern, aber vor allem in sozialen Medien. Die Inhalte, so heißt es im Bericht, seien „zielgruppenorientiert“ aufbereitet: etwa nicht nur in deutscher Sprache, und oft in Meinungsblasen außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.
So gelinge es den religiösen Extremisten, ihre Ideologie immer weiter zu verbreiten, zu spalten und „den Boden für eine Herrschaftsideologie zu bereiten, die im Widerspruch zu den Grundsätzen des Rechtsstaats und den Menschenrechten steht“.
Problematische Postings auf Facebook
So soll etwa der Obmann der Bewegung „Avusturya Türk Federasyonu“ (ATF) im November 2023 die eingangs erwähnten Postings auf seiner Facebook-Seite geteilt haben.
Die ATF steht übrigens den rechtsextremistischen Grauen Wölfen nahe. Zur Erinnerung: Erst unlängst erntete der türkische Fußballer Merih Demiral bei der EM heftige Kritik, als er nach seinem Tor gegen Österreich den „Wolfsgruß“, ein Handzeichen der Grauen Wölfe, zeigte. Ähnlich wie die Grauen Wölfe, ist auch die Milli-Görus-Bewegung dafür bekannt, Islamismus mit Nationalismus zu vermengen.
Doch es sind nicht nur Islamisten, die in diesem Feld agieren: Auch Linksextreme werden im Bericht der Dokumentationsstelle erwähnt. „Dar al Janub“ etwa tritt offiziell als „Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative“ auf. Man wolle Menschen für Antirassismus und Entwicklungshilfe begeistern, heißt es.
Dabei werden in der Ideologie von „Dar al Janub“ linkspolitische und islamistische Ansätze vermengt: So zeigt der Bericht mehrere Verbindungen zur Hamas auf, unter anderem posierte der damalige „Dar al Janub“-Sprecher 2021 mit einem Chef der Hamas für ein Foto. Zudem wurde die Hamas zur Widerstandsbewegung verklärt, der Überfall auf Israel zu einem „Widerstandsakt“, während Israel als „last pig standing“ bezeichnet wurde.
Kritik an diesen Praktiken oder Aussagen zu üben, sei aber schwierig: Diese werde „von den Akteuren dieses ideologischen Spektrums oft als illegitim, fallweise auch rassistisch zurückgewiesen“, heißt es im Bericht. Es komme zu einem „bewussten (Aus)nutzen der vom Rechtsstaat gewährten Freiheiten, um diese langfristig zu unterminieren“, so Fellhofer und Khorchide.
"Stehen vor Herausforderung"
In manchen Fällen werde die strafrechtliche Grenze überschritten, in anderen handle es sich um eine Grauzone. „Der demokratische Rechtsstaat steht vor einer Herausforderung“, so Fellhofer und Khorchide. „Die Grund- und Menschenrechte müssen vor einer Aushöhlung geschützt werden und seine Organe derartigen Angriffen standhalten.“
Auch Integrationsministerin Susanne Raab betont: "Wir dürfen auf keinem Auge blind sein, wenn es um die Verteidigung unserer Grundrechte und Grundwerte geht."
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