Prikraf-Prozess: Freisprüche für Strache und Grubmüller

Prikraf-Prozess: Freisprüche für Strache und Grubmüller
Es geht einmal mehr um die Causa Prikraf. Strache ist mit Klinik-Betreiber Grubmüller wegen Bestechung und Bestechlichkeit angeklagt.

Ein neuer Tag, eine neue Verhandlung mit dem ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Es ist die Neuauflage des Prikraf-Prozesses (Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, Anm.), bei dem Strache gemeinsam mit Klinik-Betreiber Walter Grubmüller wegen Bestechung und Bestechlichkeit angeklagt ist. Eigentlich wurde mit Urteilen noch im alten Jahr gerechnet. Doch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellte in letzter Minute weitere Beweisanträge und will weitere Zeugen hören. Das neue Gerichtsjahr beginnt, wie das alte geendet hat. Mit Strache.

Fotoscheue Richterin

Landesgericht für Strafsachen Wien, Saal 303. Pünktlich um 9.30 Uhr wird aufgerufen. Kameraleute und Fotografen stürmen den Saal. Richterin Helene Gnida winkt ab: "Ich bin nicht interessiert. Meine Eltern wissen, wie ich aussehe."

Der Vorwurf grob: Gegen Spenden in Höhe von 12.000 Euro soll Strache eine Gesetzesänderung versucht haben. Als erster Zeuge wird FPÖ-Nationalratsabgeordneter Erwin Angerer befragt. Er hat damals den Initiativantrag in der Sache unterschrieben. "Wenn es plausibel klingt, unterschreibe ich das", sagt er. Mit Strache habe er nie darüber gesprochen.

Nach wenigen Minuten übergibt er an seinen FPÖ-Nationalratsabgeordneten-Kollegen Peter Wurm. Auch er hat den Initiativantrag unterschrieben. "Es gibt eine Mappe mit Anfragen und Anträgen. Das schaut man sich an", schildert er. Zwar sei er davon ausgegangen, dass der Antrag aussichtslos sei. "Aber steter Tropfen höhlt den Stein", sagt er.

Geschwärzte Seiten von der WKStA

Auch diese Befragung ist schnell erledigt. Als nächstes sollte SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter befragt werden. Er ist noch nicht da. Die Richterin nützt die Pause für Verlesungen. Und stößt schnell an ihre Grenzen. Die WKStA hat 20 geschwärzte Seiten geschickt. "Die kann ich nicht verlesen", stellt Gnida fest.

Und stößt bereits auf die nächste Herausforderung. Die Tür zum Saal öffnet sich. Eine Lehrerin mit einer ganzen Klasse tritt ein. Die Richterin ist irritiert. "Wir sind eine Schulklasse. Dürfen wir zuhören?", wird die Richterin gefragt. Ihre Begeisterung hält sich in Grenzen. "Da suchen Sie sich ausgerechnet den Strache-Prozess aus? Es wäre höflich gewesen, wenn Sie sich vorher bei der Richterin angemeldet hätten. Aber ich kann die Öffentlichkeit nicht ausschließen."

Diät-Shakes

Gnida fährt mit Verlesungen fort. Und stößt auf Seltsames. "Aber ich muss es vorlesen: Tottenham holt Mourinho", liest sie vor. Und: "So habe ich ohne Diät-Shake abgenommen."

Endlich ist SPÖ-Abgeordneter und Wirtschaftskammer-Vizepräsident Matznetter da. Er erinnert sich, bereits im Jahr 2014 mit dem Thema Prikraf konfrontiert gewesen zu sein. Er traf Grubmüller, damals SPÖ-Mitglied auch. Ob er ihm etwas über seine Enttäuschung über die SPÖ gesagt habe? "Vielleicht wird man abgehärtet über die Jahre, dass man irgendwann nicht mehr zuhört", sagt Matznetter. Er teilt aber Grubmüllers Anischt, dass das Prikraf-System unfair gewesen sein.

Das Beweisverfahren ist geschlossen. Der Oberstaatsanwalt fordert zwei Schuldsprüche. "Hat Herr Grubmüller dem Herrn Strache für die Vornahme von Amtsgeschäften Vorteile für die FPÖ gewährt und Strache diese angenommen? Dann liegt Bestechung und Bestechlichkeit vor." Habe Grubmüller gespendet, weil er wollte, dass die FPÖ die Nationalratswahl gewinnt und er der SPÖ eines auswischen wollte, dann müsse ein Freispruch erfolgen.

"Ein Zeichen, das nach außen wirkt"

Korruption lasse sich nur selten durch Verträge belegen, sagt der Oberstaatsanwalt. Doch es gebe Hinweise. Denn Spenden von Grubmüller sind geflossen. Im Spätsommer 2016 wandte sich Grubmüller an Strache in der Sache Prikraf. Und er findet ein offenes Ohr. "Strache leitet eine Prüfung ein", sagt der Oberstaatsanwalt. Im Oktober folgt die erste Spende. Im Februar 2017 lädt die FPÖ zu einer Pressekonferenz zum Thema. Am 19. Juni 2017 wird ein Initiativantrag durch die FPÖ eingebracht. "Das ist ein Zeichen ,das nach außen wirkt. Nach dem Motto: Wir kümmern uns um dein Anliegen."

Für 12.000 Euro könne man kein Gesetz kaufen, sagt der Oberstaatsanwalt. Aber man habe einander gezeigt, dass man sich einsetzt und hilft.

Grubmüllers Verteidiger betont, dass der Initiativantrag für alle Privatkliniken gelten hätte sollen. "Das Einbringen war nicht mit meinem Mandanten abgestimmt." Es gebe keinen strafrechtlichen Zusammenhang zwischen den Spenden und Straches Tätigkeit. Grubmüller sei politisch interessiert. "Er war leidenschaftliches SPÖ-Mitglied und hat sich enttäuscht gefühlt. Daher hat er sich der FPÖ zugewendet. Auch, weil diese eine kritischen Blick auf die Kammern gehabt habe. Er war nie bereit, dafür etwas zu zahlen."

Straches Rechtsanwalt Johann Pauer wirft noch einmal einen Chat ein, der beide Angeklagte entlasten würde: "Meine Wahlkampfspende war aus Überzeugung", schrieb Grubmüller an Strache. Viele Menschen hätten Straches Nummer gehabt, sein Handy sei voll mit Nachrichten. Auch mit Vorschlägen von politisch anders Denkenden. Diese habe Strache weitergeleitet und prüfen lassen.

Urteilsverkündung für Strache und Grubmüller

Kurz nach 11 Uhr spricht Richterin Gnida die Urteile: Sowohl Strache als auch Grubmüller werden freigesprochen. "Korruption widert einen an, Korruption ist absolut zu verurteilen." Doch es müsse ein Beweis für den Tatbestand vorliegen. "Es kann nicht sein, dass bei Korruptions-Tatbeständen ein anderer Beweis-Maßstab gilt", sagt Gnida.

Im ersten Rechtsgang waren Strache und Grubmüller in der Causa verurteilt worden. Auch die Geschichte, die der Staatsanwalt hier erzählt habe, klinge schlüssig. Doch Fakten fehlen. So gebe es etwa keinen Beweis, dass Strache von der ersten Spende überhaupt etwas wusste. Und somit würde ein Schuldspruch am Oberlandesgericht nicht halten.

Dass Grubmüller aus einer Laune heraus gespendet habe, könne man nicht ausschließen. "Bei ihm ist eine gewisse Impulsivität vorhanden", sagt Richterin Gnida. Das habe man auch in dem Verfahren gemerkt: "Was er sagt, ist nicht immer pragmatisch und sachlich." Zudem könne man nicht davon ausgehen, dass jede Parteispende illegal sei.

Dass Strache wiederum "das Ohr an der Öffentlichkeit" habe, sei nachvollziehbar. "Dazu sind Sie ja da", meint Gnida. "Ich habe schon Angeklagte mit viel mehr Zweifel freigesprochen."

Die Freisprüche sind nicht rechtskräftig.

 

 

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