Helden der Krise: Fünf Stunden Schlaf müssen reichen
„Freizeit ist zurzeit ein Fremdwort.“ Diesen Satz von Patricia Dabernig würden wohl viele Ehrenamtliche dieser Tage unterschreiben.
46 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren sind in irgendeiner Form unbezahlt freiwillig oder ehrenamtlich tätig und leisten damit einen enormen Beitrag für die Gesellschaft. Das sind mehr als 3,5 Millionen Menschen. Während der Corona-Krise dürfte sich diese Zahl noch einmal mal erhöht haben. Einige von ihnen sind für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) tätig.
Insgesamt 7.500 Ehrenamtliche arbeiten unentgeltlich für die Rettungsorganisation. Zwei davon sind Patricia Dabernig und Birgit Hager. Die beiden Rettungssanitäterinnen sind derzeit oft in Kärnten unterwegs. Die 26-jährige Dabernig macht gerade die Ausbildung zur Pflegeassistentin und arbeitet bereits jetzt in einem Pflegeheim. Seit ihrer Kindheit war es ihr Wunsch, Kinderkrankenschwester zu werden. Der Dienst am Menschen war ihr also quasi schon vorbestimmt.
100 Stunden Ehrenamt
Auch ihr ehrenamtliches Tun wurde der Villacherin in die Wiege gelegt. Ihr Vater war 28 Jahre lang Rettungssanitäter. „Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist die Rettungsleitstelle.“ Die jetzige Situation sei fordernd, neben ihrem Beruf im Pflegeheim kommt sie auf gut 100 Stunden Ehrenamt im Monat.
Auch die 43-jährige Birgit Hager hat ihre Leidenschaft für den Rettungsdienst weitergegeben. Ihr 27-jähriger Sohn ist mittlerweile in der Leitung des ASB in Kärnten. Hauptberuflich ist Hager bei der Post und arbeitet im Verteilerzentrum. Dort ist Koordinationsgefühl gefragt. Dieses setzt die Kärntnerin auch bei der Rettungsorganisation ein. Sie hilft beim Erstellen der Dienstpläne.
„Zurzeit komme ich auf fünf Stunden Schlaf,“ sagt Hager. Sie sei aber ohnehin keine Langschläferin. Unter der Woche gehen die Arbeiten beim Samariterbund, der Post und die Erziehung ihres 12-jährigen Sohnes beinahe nahtlos ineinander über. „Das kann einem schon über den Kopf wachsen. Aber der Lohn, abends heimzukommen und zu wissen, dass man Positives bewirkt, entschädigt.“
Wie aber sieht der Alltag der beiden aus? Der Regelbetrieb läuft im Hintergrund weiter – trotz Corona. Es gibt weiterhin Verletzte nach Autounfällen zu versorgen. Weiterhin Dialyse- und Krebspatienten, um die man sich auch in Krisenzeiten kümmern muss. Dazu kommen jetzt die Covid-19-Touren. Die Sanitäterinnen unterstützten die Ärzte bei Visiten und helfen zum Beispiel beim Anlegen der Schutzausrüstung.
Fahrdienstleiter freut sich über viele positive Rückmeldungen
Auch wenn der Verkehr in diesen Tagen vielerorts beinahe stillsteht, ist die Bahn in Österreich weiterhin unterwegs.
Stefan Winkler aus Böheimkirchen ist als Fahrdienstleiter tätig. Sein Job besteht darin, den Zugverkehr sowie Verschub- und Nebenfahrten sicher abzuwickeln.
Seine Arbeit bleibt aufgrund der widrigen Umstände allerdings nicht unbemerkt, wie er erzählt. „Seitens meiner Freunde und Familie bekomme ich viele positive Rückmeldungen und Unterstützung.“
Die Situation sei sehr „herausfordernd“, sagt Winkler, der hofft, dass bald wieder Normalbetrieb herrschen wird. Denn auch die Bundesbahnen sind durch die Corona-Krise stark betroffen. Der Konzern verzeichnet derzeit bis zu 70 Prozent weniger Fahrgäste und einen Umsatzeinbruch.
Die Touristen fehlen, das Plauschen bleibt
Willi Seidl weiß viele Geschichten zu erzählen. Denn die Trafik des 55-jährigen Veldeners ist ein Treffpunkt in der 9.000-Einwohner-Gemeinde.
Normalerweise sind im April bereits die ersten Gäste im Ort. Sie werden vermisst. Auch die vielen Saisonarbeiter blieben heuer daheim. Diese verleihen Velden ein „lebendiges Flair“ und fehlen dem Trafikanten. Die Hautevolee vom See kam und kommt sonst ebenfalls zu Seidl. Ferdinand Piëch, Gunther Sachs und Wolfgang Böck sie alle waren schon in der Trafik.
Jetzt sind vor allem Einheimische anzutreffen. Die verhielten sich vorbildlich, sagt Seidl. „Die Leute halten von selbst Abstand, der nächste Kunde steht an der Tür und wartet.“ Zwar arbeitet Seidl nun samt Atemschutzmaske hinter einer Plexiglaswand, „aufs Plauschen“ will er trotzdem nicht verzichten. „Man kennt einander im Ort und weiß wer, wann, was einkauft,“ erklärt Seidl. Wenn ein Kunde zur gewohnten Zeit nicht hier war, erkundigt man sich nach seinem Wohlbefinden und kann im Notfall Alarm schlagen. Die Einkäufe werden aber mittlerweile von den Söhnen und Töchtern der älteren Stammkundschaft erledigt. Über die „Vertretung“ lässt der Trafikant Grüße ausrichten.
Auch die eine oder andere Anekdote hat Seidl parat. So ist Böck nicht nur auf der Filmleinwand leidenschaftlicher Wuzler. Sachs besuchte 2010 vor jedem Match die Trafik. „Er hat sich immer erkundigt, wer denn Favorit für das nächste Match sei – und hat dann auf den ,Underdog’ gesetzt.“
Brot für die, die es sich nicht leisten können
Silvya Kladler (46) aus Wien ist ehrenamtliche Helfern bei der Team Österreich Tafel des Roten Kreuzes in Wien. Immer samstags helfen sie und ihr 30 bis 40-köpfiges Team den Menschen, die sich das Essen nicht so einfach leisten können: „Ich arbeite bei der Parkraumüberwachung. Ich verdiene gut und brauche mich nicht entscheiden, welches Brot ich beim Einkaufen nehme. Aber es gibt viele, die sich das nicht leisten können und nehmen müssen, was sie bekommen. Bei uns können sie sich dann auch ein Vollkorn- oder Toastbrot aussuchen, wenn sie das wollen.“
Während sie sonst durchschnittlich 50 Stunden pro Monat für die Tafel arbeitet, sind es in Zeiten der Corona-Krise zwischen 60 und 65 Stunden pro Monat: „Dadurch, dass wir viele Sonderlieferungen bekommen, haben wir mehr zu tun, als sonst.“
So zum Beispiel am vergangenen Mittwoch. Die Tafel hat 800 Kilogramm Osterware bekommen. Das Team Österreich, darunter auch Kladler, sortierte die Produkte durch und verpackte sie in kleine Sackerl. „Die haben die Kunden dann am Samstag bekommen.“
Am Samstag vor Ostern war Kladler die „Chefin vom Tag“. Sie war für die Organisation vor Ort zuständig. Im Moment ist das eine herausfordernde Position, wie die 46-Jährige erzählt: „Wir haben sonst immer Handschuhe an. Aber die Schutzmasken sind natürlich neu. Die tragen jetzt auch alle. Außerdem achten wir darauf, dass genug Sicherheitsabstand da ist, auch die Kunden ihre Masken tragen und sich auch die Hände desinfizieren.“
Den Zusammenhalt im Grätzel fördern
Das "Stuwer" in der gleichnamigen Straße im gleichnamigen Viertel in der Wiener Leopoldstadt hat es sich als „neues Wiener Beisl“ zum Ziel gemacht, eine Anlaufstelle für die Bewohner des Grätzels zu sein. „Als ich am 13. März die Pressekonferenz gesehen habe, habe ich gewusst, dass ich etwas unternehmen muss“, sagt der Gastronom Roland Soyka. An diesem Freitag war klar, die Lokale werden nicht offenhalten können.
Im Stuwerviertel hätte man sich immer schon gegenseitig geholfen, dennoch gründete er eine Nachbarschaftshilfe. Leute, die helfen wollen und solche, die Hilfe brauchen, können sich beim Wirt melden. „Ich bringe die Menschen dann zusammen“, sagt Soyka. Das sei die Aufgabe eines Wirts.
Bisher haben sich mehr Anrainer gemeldet, die helfen wollen, als solche die Hilfe brauchen. Er habe Älteren schon jemanden zum Fensterputzen, Einkaufen oder zum Plaudern – mit entsprechendem Abstand durchs offene Fenster – geschickt. „Eine Frau hat sich sogar gemeldet, weil ihr ein Ohrring unter die Couch gefallen ist, da ist dann jemand zum Suchen hingefahren“, erzählt Soyka.
Auch sein Lokal betreibt Soyka weiter: Geliefert wird im Radius von zwei Kilometern per Moped, am Weg vom Lokal zur Kundschaft wird immer wieder desinfiziert. Sogar Masken mit dem Logo des Lokals hat Soyka besorgt. Am Ostersonntag und -montag gibt es einen mediterranen Lammkeulenbraten.
Wer im Stuwerviertel Hilfe benötigt, kann sich unter der 0660/60103689 melden.
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