30 Beschuldigte: Großrazzia in der Reinigungsbranche
Verdacht auf Sozial- und Abgabenbetrug. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie die Steuerfahndung durchsuchten Wohnungen von 30 Beschuldigten und 17 Firmenadressen.
Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) war am Dienstag Großkampftag. Oberstaatsanwalt Marcus Schmitt und die Steuerfahndung führten Hausdurchsuchungen bei 30 Beschuldigten und 17 Unternehmen aus dem Reinigungsgewerbe in Wien, NÖ und OÖ durch. Drei Beschuldigte haben keinen Wohnsitz im Inland.
Im Mittelpunkt steht ein großes, namhaftes Gebäudeservice-Unternehmen, das mit zahlreichen Subauftragnehmer-Firmen beziehungsweise Scheinfirmen „eine groß angelegte Abgabenhinterziehung in Millionenhöhe initiiert und einen groß angelegten Sozialbetrug zum Schaden der Republik Österreich begangen“ haben soll.
Der Fall basiert auf anonymen Anzeigen sowie auf Ermittlungen des Amts für Betrugsbekämpfung im Finanzministerium.
Die Ermittler suchten nach diversen Geschäftsunterlagen ab dem Jahr 2014, nach Belegen über tatsächliche Umsätze und Einkommen, nach Sparbüchern, Bankkonten und Aufzeichnungen über Bargeldbewegungen; aber auch nach Arbeitszeitaufzeichnungen und Einsatzplänen.
Außerdem wurden Handys, Notebooks und sonstige Speichermedien sichergestellt. Neben des Vorwurfs des Sozial- und Abgabenbetrugs sowie der Betrugs ist in der rund 50 Seiten starken Hausdurchsuchungsanordnung auch von „Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung“ die Rede.
Es geht um Millionen
Die Drahtzieher des zentralen Reinigungsunternehmens gaben Aufträge in Millionenhöhe an vier Subunternehmen weiter. Dieser übertrugen wiederum die Aufträge an weitere Subunternehmen.
Dreh- und Angelpunkt dieses mutmaßlich kriminellen Systems war die Weitergabe der Aufträge an Subfirmen in Form von Personalleasing, wobei aber die verrechneten Stundensätze nicht einmal die Eigenkosten der Firmen deckten. Insgesamt gab es fünf Subunternehmer-Ebenen. Diese stellten den Drahtziehern Betrugs- und Scheinrechnungen aus.
Die erhaltenen Gelder wurden einerseits zur Zahlung von Schwarzarbeiter-Löhnen an das tatsächliche Personal verwendet. Andererseits sollen aber auch sogenannte Kick-back-Zahlungen an die obersten Drahtzieher zurückgeflossen sein.
Auffällig dabei ist, dass einzelne involvierte Gebäuderservice-Firmen sehr hohe Beträge bar behoben haben. So wurde allein auf das Konto der Subsub-Firma M. im Zeitraum von Mitte Oktober 2020 bis Anfang Dezember 2020 rund zwölf Millionen Euro überwiesen und 8,7 Millionen Euro bar behoben.
Dabei hatte die Firma die Jahre davor nur wenige hunderttausend Euro Umsatz.
Laut Ermittlern sind vor allem die Barbehebungen ein starkes Indiz für illegale Zahlungen und Geldwäsche.
Geringfügig beschäftigt
„Bei den Subunternehmen fällt auch auf, dass der Großteil der angemeldeten Dienstnehmer auf Basis von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zur Sozialversicherung angemeldet wurden“, heißt es in der Hausdurchsuchungsanordnung, die dem KURIER vorliegt. „Der weitaus überwiegende Teil dieser Dienstnehmer bezog noch dazu Arbeitslosenunterstützung und/oder Notstandshilfe. Damit kamen die Arbeitnehmer auf einen angemessenen Lohn, für den aber keine Abgaben oder Beiträge entrichtet wurden.“
Die öffentliche Hand wurde in einem weiteren Punkt massiv geschädigt. Das Unternehmen der obersten Drahtzieher hatte in den Jahren 2020 und 2021 rund 1.400 Dienstnehmer zur Kurzarbeit angemeldet und eine Unterstützung in Höhe von 2,31 Millionen Euro bezogen. Doch bei der Überprüfung des Kurzarbeitsanspruchs ist den Finanzern sogleich aufgefallen, dass die besagte Firma unter „keinen vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ litt. Somit lag kein Anspruch auf Kurzarbeit vor.
Dennoch hatte sie die eigenen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und ersetzte diese durch die sehr „kostengünstigen“ Mitarbeiter der Betrugs- und Scheinfirmen.
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