Gottesdienst-Livestreams in der Corona-Krise: "Wie ein Geisterspiel"

Gottesdienst-Livestreams in der Corona-Krise: "Wie ein Geisterspiel"
Im steirischen Hartberg gibt es seit zehn Jahren die Möglichkeit, übers Internet die Sonntagsmesse zu verfolgen. In Zeiten des Coronavirus wird das für viele noch wertvoller - auch vor leeren Kirchenbänken.

Der Kampf gegen den Coronavirus schränkt auch das religiöse Leben in der Öffentlichkeit deutlich ein. Kirchen und Religionsgesellschaften setzen ihre öffentlichen Gottesdienste, Zeremonien und Versammlungen in den nächsten Wochen weitestgehend aus. 

Dabei lud die Erzdiözese Wien dazu ein, auch ohne Kirchenbesucher Messen abhalten und die Gläubigen über Medien, wie Radio, Fernsehen und Online-Stream daran teilhaben zu lassen.

Messe vor "leeren Kirchenbänken"

In der Stadt Hartberg in der Oststeiermark ist das schon seit Längerem Normalität. Seit zehn Jahren gibt man Menschen, die nicht den Gottesdienst besuchen können, die Möglichkeit, am Sonntag übers Internet dabei zu sein. "iGod" nennt sich die Webseite für die Internetgottesdienste, die der umtriebige Pfarrer Josef Reisenhofer ins Leben rief.

Rasch sei die Idee gewachsen, dieses Service auch bewusst in der aktuellen Situation anzubieten, wenn "besonders viele Menschen nicht zum Gottesdienst kommen können", sagt Reisenhofer im Gespräch mit dem KURIER. Jetzt sei "genau der Moment, wo das auch extrem sinnvoll erscheint."  "Solange nicht ein Computervirus den Coronavirus nachahmen will", sagt Reisenhofer, der auch die Sonntagsmesse hin und wieder mit Sprüchen auflockert.

Es sei sicher ungewohnt, "dass man jetzt (ab morgen, 15. März, 10 Uhr, Anm.) vor leeren Kirchenbänken feiert, aber man im Kopf haben muss, dass doch einige mitschauen werden. Dass man gesehen wird, aber man sie nicht sieht." Ihm sei bewusst, dass das "eine gewisse Sterilität mit sich bringt, weil einfach die Menschen im Raum fehlen. Man kann es wohl mit einem Geisterspiel beim Fußball vergleichen."

Veränderte Kommunikation

Es sei eben "eine veränderte Kommunikationsform für diese Wochen, die Leute stellen sich glaub ich darauf ein, die meisten akzeptieren es zum eigenen Wohl und dem der Mitmenschen", meint Reisenhofer. Wenn man an Kulturveranstaltungen denke, "wird man zuhause nicht das gleiche Klangerlebnis haben wie im Konzertsaal und beim Fußball nicht das gleiche Erlebnis wie im Stadion, aber es ist besser als gar nix."

Wenn man sich an einer Symphonie oder an einem Tor erfreue, "oder hier an einem schönen Bibelwort und an der Musik, dann überspringen die Leute das Medium in ihrer Beteiligung, sie sitzen nicht mehr vom Fernseher, sondern sie sind dort dabei. Es gibt schon diese Partizipation, die den Bildschirm nicht mehr wahrnimmt." Das könne man auch bei Papstmessen sehen, wo sich Leute beim Segen Urbi und Orbi vor dem Bildschirm hinknien.

Gottesdienst-Livestreams in der Corona-Krise: "Wie ein Geisterspiel"

Umtriebiger Pfarrer: Josef "Joe" Reisenhofer

Kommunion live ins Haus geliefert

Das Ur-Anliegen der Internetgottesdienste sei es gewesen, "Kranken, Reisenden, Menschen in nichtchristlichen Ländern oder jenen, die einfach nicht gerne in die Kirche gehen, die Möglichkeit zu geben an der Sonntagsmesse teilzunehmen."

Reisenhofer berichtet von Altersheimen, wo in den Versammlungsräumen 40 bis 50 alte Leute den Sonntagsgottesdienst verfolgen, "ab und zu schicken wir auch Kommunionshelfer dort hin und sie bekommen dort quasi live die Kommunion ins Haus geliefert. Die Leute sind sehr dankbar dafür."

Aber es gebe auch jüngere Zuschauer, "Jugendliche, die sagen, sie liegen am Sonntagvormittag noch im Bett und schauen am iPad den Jugendgottesdienst an", erzählt Reisenhofer, den sie in der Pfarre auch "Joe" nennen.

Weihnachtsmesse unter Palmen

Die Stadtpfarre sei sicher pionierhaft in diesem Bereich gewesen, meint Reisenhofer. Man habe ein eigenes Studio in der Sakristei und übertrage das Bild mit ferngesteuerten beweglichen Kameras, auch die Tontechnik sei nicht zu unterschätzen. Da brauche es auch ehrenamtliche Mitarbeiter, um das zu stemmen.

Bei diesem personellen und materiellen Aufwand freue man sich dann über Rückmeldungen, auch aus anderen Ländern, sagt Reisenhofer"Wir hatten schon den Fall, dass Christmetten unter Palmen in der Dominikanischen Republik mitgefeiert wurden", da sei als Dankeschön sogar eine Flasche Rum aus der Karibik geschickt worden.

Interaktivität zur Corona-Krise

Die gegenwärtigen Sorgen vieler Menschen zum Coronavirus wolle man auch in den Kirchenraum hineinholen. "In Zeiten wie diesen, wo das direkt aufeinander zugehen deutlich eingeschränkt ist, merkt man in den Straßen und überall, dass sich die Leute verstärkt in ihre Häuser flüchten. Gerade da ist der Weg übers Internet eine Chance" sagt der Priester. "Schon diesen Sonntag können Leute während des Gottesdienstes ihre Sorgen hinmailen" und manche Botschaften oder Wünsche würden dann stellvertretend vorgelesen und andere ausgedruckt und in einem Gebetskorb auf den Altar gestellt.

Die Kommunion ist freilich nur begrenzt auf den kleinen Kreis der anwesenden Musiker, Lektoren und Vorbeter, dafür gebe es die "geistige Kommunion für den Gottesdienstbesucher vor dem Bildschirm". Ein anderes "zentrales katholisches Ritual", das des Absammelns, sei aber freilich nicht möglich, sagt ReisenhoferAber er verbindet das nun vielleicht noch größere Interesse an den Streams mit der Hoffnung, "dass sich da und dort ein Spender vor dem Bildschirm findet", der die Pfarre bei ihren Bemühungen um die Übertragungen ein wenig unterstützt. Er selbst sei leider am kommenden Sonntag verhindert.

 

"Virus zählt nicht mit"

Dass man derzeit auch Begräbnisse nur im kleinsten Familienkreis abhalte, und nicht die erlaubten 500 Personen für Veranstaltungen im Freien ausreize, sei für ihn selbstverständlich, "denn der Virus sitzt nicht vor der Kirche und zählt bis 499 und, zack! den 500sten packt er", sagt Reisenhofer. Die Weitergabe des Virus sei auch bei kleineren Menschenmengen möglich und nicht mathematisch berechenbar. Diese Zahlenangaben seien "wahrscheinlich der Versuch, nicht das ganze gesellschaftliche Leben mit einem Schlag kollabieren zu lassen“, meint er.

Er hoffe, dass es nicht ganz so dramatisch ausgehe, wie sich die Situation derzeit darstelle, "eines Tages wird auch das Coronavirus besiegt sein, aber das Todesvirus trägt ohnehin jeder in sich und das werden wir nie ganz beheben können."

Hoffnung und Hunger

Aus der gegenwärtigen Lage könne man auch "österliche Hoffnung" schöpfen, sagt Reisenhofer. Wenn die Maßnahmen dann wieder aufgehoben würden, "und diese Fastenzeit, die wir derzeit erleben müssen, zu Ende ist, vielleicht entsteht dann bei den Gläubigen auch wieder ein gewisser Hunger nach dem, was ihnen jetzt nicht möglich ist."

INFO: "iGod"-Internetgottesdienste der Stadtpfarre Hartberg im Livestream - sonntags jeweils um 10 Uhr

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