Der bisherige Tiroler SPÖ-Landesobmann Georg Dornauer hat sich mit provokanten Sprüchen, Kritik an der Bundespartei und Eskapaden österreichweite Bekanntheit verschafft. Nach seinem Jagdausflug mit René Benko ist er bei seinen Genossen endgültig in Ungnade gefallen.
Sein Nachfolger an der Parteispitze und als Landeshauptmann-Stellvertreter, Philip Wohlgemuth, ist hörbar um ruhige Töne bemüht.
KURIER: Kann man auch mit Ihnen diskutieren, ob die Asylobergrenze in Österreich null sein sollte?
Philip Wohlgemuth: Die Sozialdemokratie hat ein eindeutiges Papier, das bundesländerübergreifend verhandelt und beschlossen worden ist. Das ist die sozialdemokratische Linie. Die gilt für uns. Mir persönlich ist das Thema Integration wichtig, dass sich die Menschen am Kaffeeautomaten in den Betrieben verständigen können. Das ist gesellschaftspolitisch wichtig.
Diese Aussage zur Asylobergrenze hat Georg Dornauer heuer ausgerechnet vor dem SPÖ-Start in den Innsbrucker Gemeinderatswahlkampf getroffen und damit für Unruhe gesorgt. Werden Sie sich auch bundespolitisch äußern?
Dort, wo es notwendig ist, werde ich die Stimme logischerweise erheben. Ich hatte in den letzten Tagen mehrfach Kontakt mit unserem Bundesvorsitzenden Andreas Babler. Mir ist wichtig, dass wir ein politisches Miteinander pflegen. Ich glaube wirklich, dass die Menschen die Nase voll haben von dieser Streiterei, dem gegenseitigen Anpatzen, dem Schlechtmachen – egal, ob das innerparteilich oder nach außen ist, ob das zwischen der Regierung und der Opposition ist oder innerhalb einer Regierung. Es braucht einen Pakt mit der Bevölkerung, damit wir ein gutes Leben für alle erreichen können.
Also halten Sie es mit Wiens SPÖ-Ex-Bürgermeister Michael Häupl, dass nicht am Balkon, sondern im Wohnzimmer gestritten wird?
Definitiv. Diskussionen sind innerparteilich zu führen. Aber nicht wirklich über die Medien.
Die Innsbrucker Stadtpartei, der Sie angehören, gilt als Babler-freundlich. Waren sie bei der Wahl des Parteichefs Team Babler oder Team Doskozil?
Ich bin hier sehr unverdächtig, weil ich bei den Parteitagen nicht stimmberechtigt war. Ich mag auf jeden Fall nicht diese Einteilungen in links-rechts und in Lager, egal welcher Person sie zugeordnet sind. Wir sind eine Partei und haben uns auf unsere Grundwerte zu besinnen. Wir haben die Aufgabe, für ein gutes Leben für alle zu sorgen und die Welt ein Stück weit zu verbessern. Diese Vision möchte ich für Tirol mit meinem Team verfolgen.
Die SPÖ hat innerhalb weniger Wochen die Landesobmänner von Tirol, Salzburg und Oberösterreich verloren, die als Westachse ein Gegengewicht zur starken Wiener SPÖ bilden wollten. Braucht es das?
Ich glaube, es braucht kein Gegengewicht. Es braucht ein Miteinander und die Möglichkeit, vielleicht auch gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit mit den Landesparteivorsitzenden und habe mit einigen schon Kontakt gehabt.
Wird es jetzt mit all diesen Wechseln für Andreas Babler vielleicht leichter, weil er einige innerparteiliche Kritiker verloren hat?
Ich habe bis jetzt in dieser kurzen Zeit diesen Hickhack nicht bemerkt. Und ich habe den Eindruck, dass alle Spitzenpolitiker, mit denen ich telefoniert habe, wirklich ein Interesse daran haben, eine vernünftige Politik anzubieten. Ich bin überzeugt, dass die Menschen dringender denn je eine starke Sozialdemokratie brauchen.
Ihr Vorgänger hat sich gerne in Szene gesetzt. Die Partei war stark auf ihn fokussiert. Freuen Sie sich schon auf VIP-Empfänge oder werden Sie diese eher meiden?
Ich bin wahrscheinlich nicht dieser Showman wie mein Vorgänger. Es gibt natürlich repräsentative Aufgaben, die man als Landeshauptmann-Stellvertreter wahrnehmen muss. Aber ich möchte die Sachlichkeit und die politische Arbeit in den Vordergrund stellen. Und das mit einer gewissen Ruhe und Verlässlichkeit angehen.
Wird es von Ihnen ebenfalls ein großes Foto an der Fassade der SPÖ-Zentrale in Innsbruck geben?
Darüber habe ich mir ehrlicherweise noch keine Gedanken gemacht. Aber ich will wieder die Teamarbeit in den Mittelpunkt stellen. Dafür möchte ich auch in der Partei werben. Wenn überhaupt, könnte ich mir ein Team-Foto an der Fassade gut vorstellen.
Auf Betreiben der Innsbrucker SPÖ hat die Stadt den Wohnungsnotstand ausgerufen. Das Land sah keinen. Für Sie verständlich?
Wir hören in den Gesprächen mit den Menschen, dass sie vor großen Herausforderungen stehen, bei denen das Thema leistbares Wohnen eine große Rolle spielt. Da darf es keine Denkverbote geben. Wir haben ein Koalitionspapier, in dem wir einiges festgelegt haben und in dieser Legislaturperiode abarbeiten wollen.
Dornauer hat eine schmerzhafte Erhöhung der Leerstandsabgabe kritisch kommentiert. Muss man hier nachschärfen?
Meines Wissens sind momentan die Abteilungen im Landhaus dabei, die Umsetzung dessen, was uns der Bund ermöglicht, auszuarbeiten. Ich werde sofort die Gespräche mit den Experten im Haus führen, sobald ich im Amt bin. Klar ist, wir brauchen Mittel und Wege, leistbares Wohnen voranzutreiben und Spekulation zu verhindern.
In Innsbruck beträgt die Leerstandsabgabe für eine 90-Quadratmeter-Wohnung derzeit 200 Euro. Reicht das?
Das ist nicht sehr abschreckend. Darüber muss man bestimmt diskutieren. Wer es sich leisten kann, eine Wohnung leer stehen zu lassen, wird sich auch diesen geringen Beitrag leisten können. Wir müssen schauen, dass wir mehr Wohnungen auf den Markt bekommen.
Was wurde eigentlich aus der versprochenen Abgabe auf ungenutztes Bauland? Kommt da noch was?
Das werden wir mit der ÖVP auf jeden Fall diskutieren.
War es ein Fehler, ihr die gesamte Bodenpolitik zu überlassen?
Das war damals Teil der Koalitionsverhandlungen, in denen wir das so vereinbart haben. Das ist jetzt zu akzeptieren. Ich werde aller Voraussicht nach die Ressorts von Georg Dornauer so übernehmen, wie er sie verantwortet hat. Ich habe Landeshauptmann Anton Mattle versprochen, dass wir für Kontinuität in der Regierung sorgen werden.
Woran werden die Tiroler zuallererst merken, dass der neue SPÖ-Chef Philip Wohlgemuth heißt?
Ich möchte laut für die Leisen und stark für die Schwachen sein. Ich bin bekannt dafür, dass ich ein großer Fan des Sozialstaats bin. Er ist auch das Vermögen der Bevölkerung, man muss ihn ausbauen.
Das könnte schwierig werden. Im Bund wird gerade eine Koalition unter den Vorzeichen verhandelt, dass vorne und hinten das Geld fehlt. Läuft die SPÖ nicht Gefahr, Abstriche machen zu müssen?
Beim Sozialstaat darf unter keinen Umständen gespart werden. Wir haben gerade während der letzten Krisen gesehen, wie wichtig er ist. Ich erwarte, dass es beim Sozialstaat in diesen Koalitionsverhandlungen keine Einschnitte geben darf und wird. Aber da bin ich guter Dinge.
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