Geisterfahrer bevorzugen Wochenenden und die Dunkelheit

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Statistik 2023. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen – trotz Warnschildern und neuen 3D-Bodenmarkierungen.

Geisterfahren ist ein Freizeitphänomen. Diesen Schluss legt jedenfalls die aktuelle Statistik des Ö3-Verkehrsservice zum Jahr 2023 nahe. Denn die Zahlen zeigen: an Wochenenden wurden deutlich mehr Fahrzeuge gemeldet, die auf österreichischen Autobahnen in der falschen Richtung unterwegs waren als an Werktagen. 230 waren es von Freitag bis Sonntag, aber nur 214 von Montag bis Donnerstag.

Insgesamt ist die Zahl der Geisterfahrer im Vergleich zu 2022 von 390 auf 444 deutlich angestiegen (siehe Grafik). Das ist der höchste Wert seit 15 Jahren – trotz deutlich sichtbarer Warnschilder an vielen Autobahnauffahrten und neuen 3D-Bodenmarkierungen, von denen man sich seitens der Asfinag eine weitere Erhöhung der Sicherheit erhofft.

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ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé erklärt die Entwicklung mit einer „offensichtlich zunehmenden Zahl an fahruntauglichen Lenkern“. Die Gründe dafür: „Alkohol, Drogen, Medikamente oder Ermüdung.“

Telefonieren lenkt ab

Auch das Telefonieren während der Fahrt sei ein massiver Risikofaktor, warnt Nosé. Ohne Freisprecheinrichtung ganz besonders natürlich, aber auch bei Verwendung einer solchen sei der Lenker abgelenkt. „Mehr als die Hälfte meiner Aufmerksamkeit beansprucht ein wichtiges Telefonat, auf das ich mich konzentrieren muss“, betont der Experte.

Er weist jedoch auf das Verhältnis der insgesamt 14 durch Geisterfahrer verursachten Unfälle zur Gesamtzahl hin: „Österreichweit haben wir jährlich ungefähr 35.000 Verkehrsunfälle, der Prozentsatz ist also sehr gering.“ Weiter gesenkt werden könne er auch durch richtiges Verhalten im Ernstfall. „Wer bemerkt, dass er falsch aufgefahren ist, sollte seinen Wagen so schnell wie möglich an den Straßenrand lenken und die Polizei verständigen“, rät Nosé: „Niemals versuchen, zu wenden oder bis zur nächsten Abfahrt weiterzufahren.“

Niederösterreich Spitzenreiter

Im Geisterfahrer-Vergleich der Bundesländer führt das fünfte Jahr in Folge Niederösterreich mit 93 Meldungen, gefolgt von Kärnten, das erstmals die Steiermark überholt. Die wenigsten Falschfahrer (14) wurden aus Wien gemeldet. Oberösterreich verzeichnete hingegen den stärksten Anstieg, während die Zahl in Niederösterreich, Tirol und im Burgenland immerhin zurückging.

Die Autobahn mit den meisten Geisterfahrern bleibt – wenig überraschend aufgrund ihrer Länge und der täglichen Fahrzeugfrequenz – die Südautobahn (A2) mit 73 Meldungen, gefolgt von der Westautobahn (A1) und der Tauernautobahn (A10). Der „Wörtherseeabschnitt“ in Kärnten auf der A2 zwischen Klagenfurt und Villach ist wie seit Beginn der Aufzeichnungen das Teilstück mit den meisten Meldungen (23).

„Hotspot“ Villach

Als „Geisterfahrer-Hotspot“ gilt dabei der Großraum Villach. Hier wurden auf der A2, der A10, der A11 und am Knoten Villach in Summe 62 Falschfahrer gezählt – das entspricht 14 Prozent aller Fälle in Österreich.

Ebenfalls klar hervorgeht aus den Zahlen, dass es zu Geisterfahrten verstärkt in der Dunkelheit kommt. Spitzenmonat ist der November mit 49 Falschfahrern, gefolgt von Dezember (47) und Oktober (37). Die wenigsten Meldungen gab es im Februar (30). Im Tagesverlauf sind die meisten Geisterfahrer am frühen Abend von 18 bis 21 Uhr unterwegs. In den Morgenstunden von 6 bis 9 Uhr sind es nur halb so viele.

Zwei Menschen verloren 2023 bei Geisterfahrerunfällen ihr Leben. Am 26. Jänner starb eine 48-jährige, alkoholisierte Lenkerin, die falsch auf die A2 in Kärnten aufgefahren war, nach dem Zusammenprall mit einem Lkw. Am 4. November erlag ein 26-Jähriger in Oberösterreich auf der A1 seinen Verletzungen nach dem Zusammenstoß mit einem anderen Pkw.

Mehr Tote und Verletzte

Die weitere Bilanz: Acht Schwer- und 15 Leichtverletzte. 2022 war ein Jahr ohne Todesopfer gewesen, bei sieben Unfällen mit Geisterfahren hatte es einen Schwer- und 10 Leichtverletzte gegeben.

Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer sieht auch Corona, Klimakrise, Inflation und Kriege als Grund für die gestiegenen Zahlen: „In Zeiten der multiplen Krisen, wie wir sie jetzt haben, führt das nicht nur dazu, dass manche mehr Alkohol oder Drogen konsumieren, das führt auch zu Schlafproblemen und mehr depressiven Verstimmungen und auch das hat unter Umständen negative Auswirkungen auf die Fahreignung.“

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